El Hotzo über "Mindset": "Am Schafsfell herbeigezogen"
Sebastian Hotz alias El Hotzo erreicht auf Twitter und Instagram mit scharfen politischen Kommentaren ein Millionen-Publikum. Bei NDR Kultur spricht er über seinen ersten Roman "Mindset" und "Dienst nach Vorschrift".
Einen Auszug des Gesprächs lesen Sie hier. Die vollen 30 Minuten können Sie in der ARD Audiothek und als Podcast hören.
Sie sind vor allem bekannt für sehr kurze Textformen. Sie posten in der Regel Alltagsbeobachtungen, witzige Statements zu politischen Fragen. Jetzt sind Sie in die lange Form gewechselt. Wie funktioniert das Arbeiten auf langer Strecke?
Sebastian Hotz: Das Arbeiten selbst ist gar nicht so eine große Umstellung. Es ist einfach nur ein anderer Tab auf den Computer, indem man jetzt die Texte eingibt. Ob das jetzt Twitter ist, ob das ein Google Doc oder ein Word-Dokument ist: Es wechselt nur der Inhalt des Bildschirms - nicht das Arbeiten selbst. Das ist komisch, weil das sind ja komplett unterschiedliche Textgattungen. Was natürlich eine Umstellung war: Dass dieser sofortige Belohnungsmechanismus durch die Antworten, durch die Likes, die man bekommt, wegfällt. Bei einem Buch erlebe ich jetzt erst, wie es ankommt. Bisher haben das nur Leute gelesen, die mich persönlich kennen - und niemals fies und gemein zu mir wären - oder Leute, die ein finanzielles Interesse daran haben. Das heißt: Dieser Belohnungsmechanismus und die verbundene, Endorphin- und Serotonin-Ausschüttung, die kommt erst jetzt. Das kenne ich von Twitter nicht so.
Sie erreichen eine große Anzahl an Menschen. Mit dieser klassischen Literatur erreicht man in der Regel weniger. Für einen Bestseller reichen schon 100.000 verkaufte Bücher. Wie aufregend ist das, wenn man jetzt so ein richtiges Buch veröffentlicht?
Hotz: Es braucht nicht viel Investment, ob das jetzt zeitlich oder finanziell ist, um jemandem auf Instagram zu folgen. Jemandem auf Instagram kann ich auch folgen, wenn ich diese Person eigentlich richtig scheiße finde. Um Inhalte zu konsumieren, die in einem Buch sind, die quasi mit einer Paywall ausgestattet sind, das fühlt sich wertiger an. Da investiert mein Publikum, um etwas von mir lesen zu können. Eine Million Bücher werde ich nicht verkaufen und vielleicht auch keine 100.000. Aber es fühlt sich wertiger an. Für mich ist es eine größere Wertschätzung, wenn jemand mein Buch liest - als wenn jemand einen Tweet von mir liket. Das bringt die Form mit sich, für dieses Buch, das sind jetzt 300 Seiten. Wenn jemand sehr schnell liest, ist er immer noch ungefähr einen Tag mit beschäftigt. Das ist schon ein größerer Ritterschlag als Social-Media-Content.
Gehen wir doch einmal auf die Inhalte ein. Ich möchte mit einem Zitat starten: "Tiermetaphern sind die Butter auf dem Brot jedes Redners: Von Jesus bis Joseph Goebbels hat jeder ernstzunehmende Rhetoriker sich ihrer bedient."
Hotz: Ich möchte sagen, dass nicht über die gesamte Buchstrecke Jesus mit Goebbels verglichen wird.
Tiermetaphern von Schafen und Wölfen ziehen sich durch das ganze Buch - sie sind der rote Faden. Vielleicht mögen Sie mal erzählen, was es mit diesen Tieren auf sich hat?
Hotz: In den Windungen des Internets gibt es eine nicht zu unterschätzende Subkultur an Erfolgscoaches. Leute, die den Erfolg gefunden haben und das Rezept dafür an andere weiterverkaufen - und zwar im Wortsinne weiterverkaufen. Diese Erfolgsrezepte bestehen immer aus relativ ähnlichen Anleitungen. Du musst dich anstrengen, du brauchst die richtige Geisteshaltung, das richtige Mindset. Leute, die nicht das richtige Mindset haben, die haben immer eine Bezeichnung, die abwertend ist: also so etwas wie Schafe. Meine Hauptfigur Maximilian Krach ist so ein Erfolgs- und Männlichkeitscoach und er teilt die Welt in zwei Kategorien ein: Wölfe und Schafe. Seine Argumentation ist natürlich ein bisschen krude - am Schafsfell herbeigezogen. Vor allem ist sie darauf aufbauend, dass aus jedem Schaf ein Wolf werden kann. Diese Tiermetaphern ist natürlich eine sehr einfache: Schafe sind schlecht, Schafe sind Herdentiere und Wölfe sind gut, weil sie jagen und holen sich das Schaf. Die Leute, die Maximilian Krach um sich schart, die möchten alle zu Wölfen werden und sind es vielleicht sogar schon.
Sie haben eine junge Frau, die vom Spirit her vielleicht eher der Quiet-Quitting-Generation entspricht, die in einem Hotel arbeitet und nebenbei Podcast hört. Skizzieren Sie damit ein wenig diese Generation, die da nachwächst. Haben Sie das Gefühl, dass da eine veränderte Arbeitshaltung im Entstehen ist?
Hotz: Ich finde es fantastisch in einem Land zu leben, in dem die Bezeichnung Dienst nach Vorschrift eine Beleidigung ist. Was soll ich denn mehr machen als einen Dienst nach Vorschrift? Das ist vorgegeben. Warum soll ich denn mehr machen? Das wird bezahlt. Ich finde es irgendwie eine gesunde Tendenz, ein bisschen mehr darauf zu achten, ob ich nicht meinem Arbeitgeber mehr gebe, als er eigentlich von mir verlangt. Das ist eine logische Schlussfolgerung daraus. Vor ungefähr 100 Jahren hat man das Recht auf eine 40- oder sogar 35-Stunden-Woche erstreikt. Aber vor 100 Jahren gab es keine Computer, da gab es keine Maschinen, keine Automatisierung, die uns viel Arbeit abnehmen sollte. Wir arbeiten immer noch 35 oder 40 Stunden, da passt doch irgendetwas nicht. Wohin geht denn dieser Mehrwert an Produktion hin? Ich kann das sehr gut nachvollziehen, dass es da ein bisschen an der vielbeschworenen Arbeitsmoral in Anführungszeichen mangelt. Und natürlich es steht diese Protagonistin ein bisschen stellvertretend dafür. Sie steht aber auch stellvertretend für Leute, die sich dieses Gebaren von Selbstoptimierung und Männlichkeitswahn von außen anschauen und das Ganze zurecht belächeln.
Die Fragen stellte Alexandra Friedrich. Das vollständige 30-minütige Gespräch können Sie als Podcast und in der ARD Audiothek hören. Am 23. April läuft ab 13 Uhr im Radio bei NDR Kultur.