Roman Flügel & Florian Weber: Electronica meets Jazz
Roman Flügel und Florian Weber haben sich erst kurz vor ihrem gemeinsamen Konzert bei NDR Kultur kennengelernt und im Dezember 2022 Musik geschaffen, die es bisher noch nicht gab.
Roman Flügel und Florian Weber sind beide Meister ihres Fachs: Flügel als Electronica-Musiker und weltweit gefragter DJ, Weber als Jazzpianist und Komponist. Bis vor ihrem Auftritt bei NDR Kultur EXTRA hatten sie nie voneinander gehört. Wir haben die beiden herausragenden Künstler miteinander verknüpft. Aus Neugier wurde Seelenverwandschaft. Als Duo sind Roman Flügel und Florian Weber 2022 erstmals in dieser Besetzung aufgetreten und haben Musik gespielt, die es bisher noch nicht gab: "Für uns ist es tatsächlich neu und erfüllend, beide Klangwelten miteinander zu kombinieren, eine spannende Symbiose." Electronica trifft Jazz, synthetische Studiosounds verbinden sich mit live improvisierten Klavierklängen.
Roman Flügel: Als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, ging es primär erst einmal darum, zu überlegen, wo geht die Reise musikalisch hin. Wir haben, glaube ich, eine ganz eigene Art entwickelt, die Musik zu produzieren. Mit sehr wenig gemeinsamer Zeit, es war erst mal ein Treffen in Berlin. Dann haben sich die Wege wieder getrennt und nach ein paar weiteren Telefonaten und dem Hin- und Herschicken von Files sitzen wir jetzt hier und das läuft zum ersten Mal zusammen.
Habt ihr, bevor ihr euch in Präsenz getroffen habt, schon Musik vom anderen angehört oder seid ihr komplett offen und wusstet eigentlich gar nicht, was auf euch zukommt?
Florian Weber: Ich habe schon ziemlich viel Musik von Roman gehört und bin totaler Fan geworden. Ich kannte das vorher tatsächlich überhaupt nicht. Mir war auch nicht bewusst, dass man mit Elektronik so organisch und so weiche und flexible Musik erzeugen oder produzieren kann. Das war für mich eine Entdeckung, auf die ich mich dann gerne eingelassen habe.
Dann habt ihr euch getroffen und erst mal gar nicht zusammen Musik gemacht, sondern euch unterhalten...
Flügel: Genau, wir haben uns in Berlin getroffen und haben, glaube ich, uns zwei Stunden ausgetauscht und kamen von einem zum nächsten Thema und zum übernächsten. Eigentlich hat das Gespräch gar nicht mehr aufhören wollen, weil wir auch gemerkt haben, dass wir ein paar Sachen gemeinsam sehr mögen: Wenn wir Musik hören und wenn wir Musik machen. Das war umso interessanter, das dann für mich ins Studio zu tragen und damit zu arbeiten.
Welche Themen waren das, wo ihr euch wiedergefunden habt? Die Richtungen, aus denen ihr kommt, sind auf den ersten Blick recht gegensätzlich. Was hat euch verbunden?
Weber: Für mich war es einmal die Tonsprache von Roman, also das Gefühl und die Richtung, wo Musik hingehen kann. Und die Art der Bögen, die ich in der Musik von Roman gehört habe, aber auch das Bildliche. Wir haben gleich ein paar Bilder ausgetauscht, wie man sich Musik vorstellen kann. Ich glaube, wir hatten ein Bild von fallendem Schnee, der unten abschmilzt, oder verschiedene Überlagerungen von verschiedenen Rhythmen besprochen. Das sind alles Dinge, die mich im Jazz-Bereich oder in der improvisierten Musik, mit der ich mich beschäftige und in der ich unterwegs bin, die ganze Zeit vorkommen und mich auch sehr interessieren und wo ich mich auch gefordert fühle. Das ist für mich bei jedem Projekt wichtig, dass da eine Herausforderung drinsteckt. Und die finde ich hier auf jeden Fall sehr stark.
Diese Bilder finde ich ganz interessant. Habt ihr beim Spielen konkrete Bilder oder hat sich im Laufe des Spielens etwas entwickelt?
Flügel: Ich glaube, da ging es uns zum Beispiel um Verschiebungen, um Überlagerungen, um Polyrhythmik und sicherlich auch unsere Begeisterung für traditionell indische Musik, Rhythmen aus Indien. Ich glaube, das ist eine Sache, an dem wir uns beide auch festbeißen können.
Woher kommt diese Begeisterung für indische Musik, für Polyrhythmen?
Weber: Die indische Musik ist einfach eine Musiktradition, die sich über viele tausend Jahre entwickelt hat und die das auf einer Art zu einer Perfektion entwickelt hat. Das ist genauso wie die Musik von Bach, finde ich, die Polyharmonik und Polymelodik zu einer Meisterschaft gebracht hat. Da, finde ich, kann man am meisten lernen, da steckt am meisten Herausforderung drin. Da kommt so viel Wissen zusammen. und sich damit zu verbinden, ist für mich selbstverständlich als Musiker.
Habt ihr auch schon mit indischen Künstlern zusammengearbeitet? Oder ist es eher eine Faszination dafür und vielleicht auch das Ziel, den eigenen Kosmos zu verlassen und nach außereuropäischer Musik zu suchen?
Flügel: Ich war einige Male in Indien, habe da auch selbst schon ein paar Mal aufgelegt und war unabhängig davon auch so mal in Indien, einfach nur um das Land zu bereisen. Ich finde, das ist insgesamt eine sehr faszinierende Kultur, aber bin nicht so naiv zu glauben, dass ich in indische Musik mir-nichts-dir-nichts einsteigen könnte, weil es eine hochkomplexe Tradition ist. Darum geht es in dem Fall hier bei uns auf gar keinen Fall. Das kann man so nicht aus dem Ärmel schütteln.
Weber: Meine Schwester kommt aus Indien, die ist aus Indien adoptiert, insofern war meine Familie oft dort. Ich war als Kind schon öfter in Indien und habe da sowohl die Kultur als auch die Musikkultur kennengelernt und seitdem fühle ich mich ihr sehr nahe. Das ist auch so mit den Musikern in New York, als ich dort gelebt habe, mit denen gespielt habe: Die haben sich sehr mit dieser Musiktradition auseinandergesetzt. Das heißt, vieles von der Rhythmik, die wir in den selbstgeschriebenen Stücken gespielt haben, kam aus dieser Tradition. Ich bin damit nicht aufgewachsen, aber es spielt eine Rolle. Die Ideen, die hinter dieser Musik stehen, finde ich sehr spannend zu übertragen auf die Art, wie ich heute spiele oder improvisiere.
Das Gespräch führte Charlotte Oelschlegel.