Orgelbauer von ganzem Herzen: Kristian Wegscheider
Instrumente aus der Orgelwerkstatt von Kristian Wegscheider finden sich zwischen Ahrenshoop und Bremen und von Island über Polen bis nach Frankreich. Am Sonnabend ist der Orgelbauer aus Ahrenshoop 70 geworden.
"Wenn ich mal scheitere im Leben, dann werde ich Orgelbauer." Das hat der jugendliche Kristian Wegscheider gesagt. "Ich wusste aber gar nicht, dass es Orgelbau gibt. Ich dachte, die Dinger sind da oder man kauft die". Doch dann bekam der junge Mann doch mit, dass Orgeln gebaut werden können. "Dann habe ich mich beworben bei den vier großen Firmen und hatte das Glück, dass die Firma Jehmlich in Dresden mich eingeladen hat. Das kam auch nur so, weil Horst Jehmlich, mein alter Chef, immer im Ostseebad Wustrow Urlaub machte und sagte: 'Was? Einer aus Ahrenshoop will sich bewerben? Den gucke ich mir mal an.'"
"Da kriegte man Senge": Jugend bestimmt von einem alten Zwist
Wegscheider wurde am 20. Januar 1954 in Ahrenshoop geboren. "Wir waren also in Ahrenshoop auf der pommerschen Seite und dann haben wir uns immer mit denen auf der mecklenburgischen Seite in Althagen gestritten und teilweise gekloppt. Wir wussten aber nicht, warum." Es sei ein alter pommerscher-mecklenburgischer Zwist gewesen, erzählt der Orgelbauer. Dabei sei es um Konkurrenz gegangen. "Man durfte kein Mädel haben aus Althagen, da kriegte man Senge."
In den 70er-Jahren machte Wegscheider in Dresden eine Lehre als Orgelbauer, parallel absolvierte er ein Fernstudium als Restaurator. Im Juni 1989 eröffnete er in Dresden seine eigene Werkstatt, in der seither gut 60 Orgeln restauriert und ebenso viele neu gebaut wurden. Aus der Orgelwerkstatt Wegscheider findet er selbst die Orgel in der Jakobikirche in Stralsund am schönsten. "Die jüngsten Kinder sind einem natürlich noch am nächsten und das ist eine Orgel, die wir vor drei Jahren fertiggestellt haben. Die ist technisch und klanglich eine der gelungensten Orgeln", freut sich Wegscheider.
Restaurator der großen Silbermann-Orgel im Freiberger Dom
Bei einer Orgelrestauration habe er besonders viel gelernt. Es war die Arbeit an der großen Silbermann-Orgel im Freiberger Dom in Sachsen. Sie liege ihm als Restaurator besonders am Herzen. "Das war noch zu der Zeit, als ich noch bei der Firma Jehmlich war. Als ich mein Studium fertig hatte, sagte Horst Jehmlich: 'So Herr Wegscheider, Sie sind jetzt diplomierter Restaurator, jetzt müssen sie die große Silbermann-Orgel in Freiberg machen.' Da war ich 27 Jahre. Dann dachte ich: Na, der Silbermann war auch 27, als er die gebaut hat, also das musst du irgendwie hinkriegen."
"Plattdeutsche Orgel" in Petschow bei Rostock
In den vergangenen Jahrzehnten hat Wegscheider in ganz Deutschland, darunter in seinem Heimatort Ahrenshoop, sowie in vielen europäischen Ländern Orgel gebaut. Der 70-Jährige kennt die Unterschiede zwischen einer Orgel in Mecklenburg und Vorpommern und einer in Sachsen. Es gibt sogar eine plattdeutsche Orgel. "Die steht in Petschow bei Rostock, und wir haben die restauriert. Die klingt erst mal ganz normal, aber so breit. Als der Organist Paul Gerhard Schumann die Einweihung spielte, spielte er das Trompetenregister und die Posaune und sagte, 'Krischan, das ist wie das große Schweinetreiben im Dorf: laut, frech, unverschämt, ungleichmäßig.'" In der Orgel sei das Geräusch des Dorfes gewesen, erklärt Wegscheider. "Das ist ein Stück akustische, mecklenburgische Geschichte. Deswegen sage ich: Das ist eine plattdeutsche Orgel."
Traum von Barockorgel in Riga
Kristian Wegscheider ist in seinem Leben nicht gescheitert und er wurde ein erfolgreicher Orgelbauer und Orgelrestaurator. Er ist ein Mann, der noch einen Traum hat: Er möchte eine besondere Barockorgel rekonstruieren, und zwar die in der Petrikirche von Riga. Ein ausführliches Gespräch mit Wegscheider können Sie am Sonntag, 22. Januar, ab 19 Uhr Kunstkaten auf NDR 1 Radio MV hören - oder bereits jetzt in der ARD-Audiothek.