Mit lockerer Zunge. Die wichtige Rolle des Organs beim Singen
Die Zunge ist vor allem ein Schluckorgan, mit dem wir unser Essen in Richtung Speiseröhre befördern. Aber auch in anderen Bereichen ist die Zunge wichtiger als wir denken - zum Beispiel beim Singen.
"Beim Singen spielt die Zunge eine extrem wichtige Rolle", sagt die Sängerin Anna-Maria Torkel, Altistin im NDR Vokalensemble. "Man formt die Vokale mit der Zunge. Das kann jeder auch zuhause ausprobieren."
Die Position der Zunge formt die Vokalfarbe
Beim Sprechen geht es vor allem darum, deutlich zu sein. Beim Singen soll es außerdem noch schön klingen. Dafür muss man sehr bewusst mit der Zunge umgehen, wie Anna-Maria Torkel erklärt. Zum Beispiel beim 'i'. "Wenn ich ein ganz deutliches 'i' mache, dann ist die Zunge hinten am Gaumen sehr hoch. Dann ist das alles eng. Hört man vielleicht auch. Wenn man aber ein 'i' macht, wo nur die Ränder oben sind an den Backenzähnen, aber die Mitte der Zunge nicht oben ist, dann hast Du ein schönes 'iii', dann hast Du direkt mehr Resonanz, mehr Atem, der durchfließt."
Die Vokale sind das eine, die Konsonanten das andere. Auch da braucht man eine bewegliche Zunge. Gerade bei besonders filigraner Musik wie den Chorstücken von Maurice Ravel. Das weiß auch Anna-Maria Torkel: "Man kann ein 'LLLL' machen, so ein ganz dickes 'LLL'. Oder man macht ein tralalalala, das ist eine ganz flinke Zunge."
Die Zunge lockern
Singen ist also eine anspruchsvolle Aufgabe für die Zunge. Um sie locker zu kriegen, wenn sie zu fest geworden ist, gibt es konkrete Übungen, zum Beispiel das Pleueln. Anna-Maria Torkel erklärt, wie es geht: "Man hat die Zungenspitze an den unteren Schneidezähnen und macht dann die Zunge nach vorne, aber die untere Zungenspitze bleibt an den unteren Schneidezähnen. Ich habe das sogar einmal bei einer Gesangslehrerin gemacht, dass ich die Zunge ein bisschen festgehalten habe, damit man genau so gut spricht, als wenn man das nicht macht."
Die Zunge ist wichtig für die Stimmproduktion
Die Zunge ist ein wichtiger Bestandteil des Instruments namens Stimme. Auch aus Perspektive der Wissenschaft. Matthias Echternach, Professor für Phoniatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und international renommierter Stimmarzt, erklärt den Zusammenhang so: "Für die Stimmproduktion ist es ganz wichtig, dass der Klang der Stimme, der ja im Bereich der Stimmlippen im Kehlkopf gebildet wird, geformt wird." Und das sei abhängig von der Zunge, so Echternach weiter, "weil nämlich diese Formung der Resonanzen, von denen wir reden - also: es kommt zu einer Änderung des Tonklanges im Bereich des Rachens, des Mundes - maßgeblich von der Zungenposition abhängt."
Herausfordernde Partien können durch Zungenbewegungen erleichtert werden
Mithilfe der Zunge modulieren wir etwa die Obertöne, die den charakteristischen Klang einer Stimme prägen. Oder wir nutzen sie, um schnelle und kurze Noten besser artikulieren zu können, sagt Echternach. "Die Zunge ist unglaublich beweglich", so Matthias Echternach. "Wenn ich zum Beispiel immer wieder Ansätze von Stimme nehme, wie es beim Staccato oder auch bei Koloraturen der Fall ist, kann ich zum Teil auch die Zunge nutzen, um immer wieder so ganz kleine Druckänderungen im Bereich des Rachenraumes hervorzubringen, die eventuell meine Stimmproduktion erleichtern."