Mehr als 7.000 Pfeifen: Hamburgs neue Super-Orgel in St. Nikolai
Hamburg bekommt eine neue, millionenschwere Super-Orgel mit mehr als 7.000 Pfeifen. Sie steht in der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern und wird am Ostersonntag eingeweiht.
Wenn Tjark Pinne in die Tasten greift, klingt es erst einmal unauffällig nach großer Orgel. Und auch von außen sieht das Instrument fast genauso aus wie das alte aus den 60er-Jahren mit dem Prospekt, dem Gesicht der Orgel, das an die maritime Fassade der Elbphilharmonie erinnert. Der Wow-Effekt ist hinter den Kulissen versteckt. Denn in der neuen Orgel findet man nicht nur Zungen und Pfeifen: Mit Röhrenglocken, Celesta, Snare-Drum und Tam-Tam kann der Organist eine ganze Percussion-Band ersetzen.
Futuristischer Sound: Die Orgel als Loop-Station
Dazu kommt modernste Technik: Pinne öffnet eine Orgel-Schublade und tippt darin auf einem Tablet herum. Er programmiert Klänge, loopt Trommeln, Gongs und Pfeifen. Zu hören ist ein atemberaubender futuristischer Sound, der mehr nach Club klingt als nach Kirche. "Man ist wie ein DJ", lacht Pinne.
Kirchenorgel in St. Nikolai kann jetzt Dolby Surround
Der Clou: An dieser Orgel kann man verändern, mit wie viel Druck die Luft, den die Fachleute "Wind" nennen, durch die Pfeifen bläst. Damit verändert sich der Klang des Tons und macht aus der manchmal etwas steifen Orgel einen dynamischen Wirbelwind. Über dem Eingang zur Kirche hängt außerdem ein Antiphonal, ein eigener, abgetrennter Teil der Orgel, mit dem man eine Art Dolby Surround-Effekt wie im Kino erzeugen kann.
Gleiche Orgelbauer wie in der Elbphilharmonie
Man spürt sofort: Dieses Instrument ist mehr als eine Feld-Wald-und-Wiesen-Orgel. Monatelang hat Philipp Klais, der auch schon die Elbphilharmonie-Orgel gebaut hat, mit seinem Team dieses Instrument konzipiert, installiert und intoniert. Die Bonner Orgelbauer haben dabei jede einzelne Pfeife in die Hand genommen. Grundlage ist das alte Instrument aus der Kölner Orgelbauer-Werkstatt von Willi Peter.
Umfassende Sanierung: Hightech fürs alte Instrument
Die umfassende Orgelsanierung und Erweiterung war nötig geworden, weil sich in den vergangenen Jahren die Probleme mit der Peter-Orgel gehäuft hatten. Ganze Register fielen immer wieder unkontrolliert aus. Der Organist wusste manchmal nicht, was passiert, wenn er eine Taste drückt. "Die größte Herausforderung ist genau diese Kombination von alt und neu, ein respektvoller Umgang und eine denkmalgerechte Rekonstruktion der Orgel-Bestandteile, die noch unverändert überliefert sind, mit einer Kombination aus den neuen Teilen", erläutert Klais.
Mehr als drei Millionen Euro für Baukosten
"Endlich fertig!" Der Hauptpastor von St. Nicolai Martin Vetter ist erleichtert, dass seine Kirche nun nicht mehr aussieht wie eine Baustelle. "Ich glaube, bei der Einweihung am Sonntag werden auch Tränen fließen", sagt Vetter.
Sogar für die vergleichsweise reiche Hamburger Kirchengemeinde ist diese große Orgel ein enormer Kraftakt. Auf dem Weg habe es auch Konflikte gegeben, als die Kosten von dannen galoppierten. Allein die Orgelbaukosten liegen bei über drei Millionen Euro. Das Projekt wird nur aus Spenden und Fördergeldern finanziert.
Musikalische Pläne: Von leichter Muse bis Avantgarde
Vetter verspricht sich von dem neuen Instrument deshalb viel. Einerseits sind Familienkonzerte geplant. Die Orgel wird auch Stummfilme vertonen. Am Christopher Street Day ist ein Pride-Konzert nur mit queeren Komponistinnen und Komponisten geplant. Neben leichter Muse wird es immer wieder auch Avantgarde-Konzerte mit ganz neuer Musik geben. Kompositionsaufträge sollen für dieses Instrument vergeben werden. Im August werden zwei Elektro-Musiker aus Berlin die Orgel über ihren Computer zum Klingen bringen. Die Hoffnung ist, dass diese Orgel am Klosterstern ein internationaler Leuchtturm der Orgelmusik werden könnte. Eine eigene Orgel-App präsentiert schon jetzt Videos über den Orgelbau, Baupläne sowie alle Konzertprogramme.
Kultursenator Carsten Brosda hofft auf viele Besucher
Orgeln führen manchmal ein Schattendasein in der Stadt. Viele denken an museale Kirchenmusik. Kultursenator Carsten Brosda hofft, dass diese neue Orgel noch mal ein ganz neues Licht auf die Orgelstadt Hamburg werfen kann. "Wir haben herausragende Instrumente, und ich glaube, es geht eher darum, sich noch mal bewusst zu machen, was die alles können, was für Charaktere und Persönlichkeiten das sind", sagt Brosda. "Da kommt mit diesem Instrument ein besonderer Charakter zum Klingen, der Jahre lang geschwiegen hat. Ich hoffe sehr, dass viele Menschen sich gönnen werden, das zu erleben."