Wie Herzblut den Kieler Musikclub Schaubude am Leben hält
Vor einem Jahr stand der Kieler Livemusikclub Schaubude wegen mangelnder Ticketverkäufe vor der Schließung. Inzwischen haben die Betreiber die Wende geschafft - und hinter dem Tresen hängt ein bundesweit ausgelobter Preis.
Bereits Stunden bevor das Konzert losgehen soll, herrscht in der Kieler Schaubude Gewusel. Gerade sind die Bands angekommen. Erst mal gibt es ein vielstimmiges "Moin!". Die Musiker werden von den beiden Schaubudenbetreibern Richard "Richi" Schröder und Steven Pönicke herzlich begrüßt. Man kennt sich von früheren Auftritten in dem kleinen Club. Dass in der Schaubude auch 2024 noch Livemusik gespielt wird, danach sah es ziemlich genau vor einem Jahr nicht aus. "Wir haben durch Corona schwere Zeiten durchgemacht", erinnert sich Pönicke.
Erst kam der Lockdown, und als alles wieder öffnen durfte, blieben die Ticketverkäufe mau. Die Inflation durch den Ukraine-Krieg kam schließlich noch obendrauf. Damals konnten die beiden Clubbetreiber nur von Monat zu Monat entscheiden, ob sich ein Weitermachen überhaupt noch rechnet.
Heute sieht das wieder anders aus. "Die Ticketverkäufe haben wieder angezogen. Die Leute nehmen das Angebot an Livekonzerten wieder an", freut sich Schröder. Allerdings, so der Clubchef, auf dem Niveau von vor Corona sei man noch nicht.
Betreiber haben Konzept nach Corona nicht geändert
Die Schaubuden-Macher gehen davon aus, dass es auch noch in der ausklingenden Corona-Zeit vor allem die Angst war, sich auf den Konzerten anzustecken, die das Publikum fernhielt. "An unserem Konzept haben wir eigentlich nichts verändert, wir machen so weiter wie vor der Pandemie", erklärt Richi Schröder. In dem Club setzt man auf Vielfalt, auf der kleinen Bühne spielen Bands der unterschiedlichsten Genres, darunter Punk, Indie, Rock, Reaggae und Hiphop. Die Besucher können rund ums Jahr jede Woche mindestens ein Konzert erleben.
Sieg in der Kategorie "Beste Liveclubs Deutschlands"
Genau das gefiel auch der Jury des Applaus Awards, der Richi Schröder und Steven Pönicke Ende des vergangenen Jahres ins Haus flatterte. Sie gewannen den Bundeskulturpreis der Initiative Musik in der Kategorie "Beste Liveclubs Deutschlands". Der Award, der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BMK) - in diesem Fall Claudia Roth - ausgelobt ist, wird jährlich an unabhängige Musikclubs in verschiedenen Kategorien verliehen.
Konzerte, die für Tochter und Vater kompatibel sind
Die Spielstätten können sich dafür selbst bewerben. "Für uns war der Award nach der problematischen Zeit eine ganz besondere Wertschätzung", freut sich Steven Pönicke. Auch Schaubudenbesucherin Paula Behrens lobt die Vielfalt des Schaubuden-Angebots. "Ich mag vor allem auch die Atmosphäre in der Schaubude. Es geht dort familiär und entspannt zu, und man trifft junge, aber auch ältere Leute." Die 24-Jährige geht auch gerne mal gemeinsam mit ihrem Vater auf die Konzerte.
In die Schaubude passen 200 Zuschauer
Für die Bands in der Schaubude ist am Abend erst mal Bühnenaufbau angesagt. Mit Leto und Keele steht heute Hamburger Postpunk im Doppelpack auf dem Programm. Die Musiker platzieren ihre Verstärker und Instrumente, sortieren Kabel, und Schaubuden-Tonmischer Joscha Didwischus beginnt, die Mikros einzustöpseln und auszurichten. In wenigen Minuten soll der erste Soundcheck beginnen.
Gerade einmal 200 Zuschauer passen in den Club. "Wir bieten für kleinere Bands und Newcomer eine Bühne. Die haben sonst kaum Möglichkeiten aufzutreten", sagt Steven Pönicke. "Für uns sind solche kleinen Läden entscheidend", bestätigt Jannes von Richthofen, Sänger der Band Leto. "Leider verschwinden immer mehr davon von der Bildfläche."
Gegen den Trend: Deutschlandweites Club-Sterben
Nach Statista-Angaben gab es allein 2021 im Vergleich zu 2019 fast 10.000 Kneipen und 500 Clubs weniger in Deutschland. Ein Abwärtstrend sei zwar schon in den Vorjahren erkennbar gewesen, habe aber mit Corona Fahrt aufgenommen, so die Verfasser der Analyse.
In Kiel ist die Stimmung bei vergleichbar kleinen Clubs und Bühnen gespalten. Während die einen sich wie die Schaubude über steigende Besucherzahlen freuen, ächzen andere noch immer über zu wenig Publikum.
Für den Erhalt von Subkultur, gegen Rechtsextremismus
Für Richi Schröder und Steven Pönicke geht es in der Schaubude um weit mehr als nur um Musik. Neben dem Clubsterben treibt die beiden auch das Erstarken des Rechtsextremismus um. "Momentan ist es noch wichtiger zu sagen: Wir stehen auf. Gegen rechts, gegen AfD. Die werden solche Kultur, wie wir sie machen, nicht fördern." Um die Schaubude auch weiter als Ort für Subkultur in Kiel erhalten zu können, gehen beide momentan noch jeweils anderen Jobs nach.
Betreiber verdienen bisher nichts mit der Schaubude
Der Club, in dem auch gut besuchte und damit einträgliche Partys stattfinden, finanziert die Räume und das Team, darunter eine halbe Stelle sowie etwa 20 Aushilfen. Die Betreiber selbst verdienen bisher nichts daran. "Wir pumpen hier all unsere Freizeit rein. Manchmal fragen wir uns schon, was wir hier machen. Aber wir haben einfach Lust auf all die Bands, auf neue Projekte und darauf, die Leute hier zusammenzubringen", sagt Steven Pönicke.
Booking ist für die Schaubude ein Blick in die Glaskugel
Dass wieder mehr Menschen auf die Livekonzerte kommen, freut die Clubbetreiber. Allerdings habe sich das Konsumverhalten des Publikums seit Corona verändert und dessen Geschmack sei zudem schwerer einzuschätzen. "Ich habe den Eindruck, dass viele Leute eher Konzerte von Bands besuchen, die sie kennen und weniger Experimente wagen", sagt Richi Schröder. "Und dann wieder ist die Bude plötzlich rappelvoll, obwohl wir vorher beim Booking nicht sicher waren, ob das mit dieser Band wohl etwas wird."
Mittlerweile hat das Konzert von Leto begonnen. Rund 40 Leute stehen heute vor der Bühne. "Das wird heute kein Plusgeschäft", wissen die Veranstalter. Sicher aber sei: Mit der Schaubude wird es weitergehen. Und vielleicht, so hoffen beide, können sie irgendwann sogar davon leben.