ARD-Doku: Flensburger Band Echt veröffentlicht emotionale Zeitreise
In "Echt - unsere Jugend" erzählt Ex-Sänger Kim Frank die Geschichte einer Freundschaft, die bis heute hält. Eine Geschichte vom Musik machen Ende der 90er-Jahre und vom nebenbei erwachsen werden - als Teenie-Stars in der Öffentlichkeit. Eine Rezension.
Ich habe die Nacht mit Kim Frank verbracht. Er hat stundenlang erzählt, ich habe zugehört. Gebannt, gedankenverloren und unheimlich gerne. Jetzt tauche ich wieder auf. Nach drei Stunden Doku über fünf Jungs, die in den 90er-Jahren an der Kurt-Tucholsky-Schule in Flensburg-Tarup eine Schülerband waren und ihren Traum vom Musik machen gelebt haben.
Die angenehm warme Welle aus Nostalgie, die mich überspült hat, bricht am Bildschirmrand meines Laptops und die bittersüße Erkenntnis, die um drei Uhr morgens bleibt, lautet: Es ändert sich überhaupt nichts, wenn wir groß sind. Vorausgesetzt, jemand schafft es, einen Film zu machen, der einen so sehr in die eigene Jugend zurückwirft, dass man Gefühle fühlt, die seit Jahrzehnten auf dem inneren Dachboden lagern, wie längst vergessene, luftleere Gummitiere in einer verstaubten Strandtasche. Daneben ein Stapel alter BRAVO-Hefte und die gelbe Maxi-CD von "Alles wird sich ändern". Echt, 1998.
Mit dem VHS-Camcorder durch die Vergangenheit
Über 20 Jahre nach der Trennung gehört Echts Jugend nicht mehr länger nur Echt, sondern uns allen. Kim Frank, mittlerweile 41 Jahre alt und hauptberuflich Regisseur statt Teenie-Star, hat wahnsinnig intime Momente aus über 240 Stunden (!) Videomaterial destilliert und sie zu einer dreiteiligen Doku verdichtet. Sein Drehbuch, sein Schnitt, seine Stimme. Und trotzdem ein Band-Ding.
Drei Stunden Zeitreise ohne Reiserücktrittsversicherung. Was ist es, das einen beim Zuschauen so kompromisslos in seinen Bann zieht? Der Blick hinter die Kulissen? Die Echt-Cam war damals immer mit dabei und Kim Frank lässt uns auch heute dabei sein, beim Kotzen nach einer wilden Party, beim Streit mit dem Manager im Backstage-Raum irgendeines Stadions, im Studio, im Tourbus.
Aus irgendeinem Grund dachte ich, mit 24 ist es vorbei. Also hab ich mir geschworen, bis 24 alles erlebt zu haben. Ich wollte die Welt gesehen haben, wollte geliebt haben und erfolgreich sein und - da wir nie viel davon hatten - viel Geld verdient haben. Kim Frank in "Echt - Unsere Jugend"
Es fesselt aber nicht nur was wir sehen, sondern auch wie wir es sehen. Kim Frank lässt den Geschichten (und unseren Gummitier-Gefühlen in der Strandtasche) den Raum, den sie brauchen, um sich zu entfalten. Er kommentiert, reflektiert, aber drängt sich nicht auf. Im Scheinwerferlicht steht die Musik und das, was zwischen dem ersten Hit und dem letzten Streit mit den fünf Jungs von Echt passiert ist.
Je greller das Licht, desto dunkler die Schatten
Wenn das Scheinwerferlicht aus ist, teilen sich einige der Bandmitglieder das Hotelzimmer mit dunklen Gedanken. Panikattacken und Depressionen begleiten die Teenager. Themen, die in den letzten 20 Jahren kein bisschen an Relevanz verloren haben, Themen, die Kim Frank bewusst nicht ausspart.
Ich glaub nicht, dass ich damals wusste, was das Wort 'Depression' wirklich bedeutet. 'Mental Health' war zu der Zeit kaum Thema. Wer einen Psychologen brauchte, hatte sich nicht im Griff. Und bei Jugendlichen wurde das Ganze gar nicht ernst genommen. Kim Frank in "Echt - Unsere Jugend"
Eine Doku über die Jugend der Band Echt aus Flensburg. Das klingt nach Spezialinteresse, nach einem Film für Fans. Aber "Echt - unsere Jugend" ist so viel mehr als das.
Es ist ein klug erzähltes Stück deutsche Musikgeschichte, das Nachzeichnen einer Erfolgsstory made in Schleswig-Holstein, aber ohne die Vergangenheit zu verklären. Diese Doku geht nicht nur drei Stunden, sie geht unter die Haut.