Justus Frantz: "Kunst ist Brücke, nie Waffe"
Er ist einer der bekanntesten Klassikstars, aber auch sehr umstritten: Justus Frantz. Der Pianist und Dirigent, der das Schleswig-Holstein Musik Festival gegründet hat, ist am 18. Mai 80 Jahre alt geworden.
Er spielt immer noch mit Freude am Flügel in seiner edlen Villa im Hamburger Stadtteil Harvestehude. Helmut Schmidt hat da auch schon dran gesessen. Klingt harmonisch. Gerade gibt es bei ihm aber viele Misstöne. Dass er nach dem Ausbruch des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine weiter dort arbeitet und viel Verständnis für Russland zeigt - das kommt nicht gut an.
Justus Frantz versteht den Ärger nicht, sieht sich und die Kunst als Vermittler: "Kunst ist immer Brücke und nie Waffe. Ich habe schon verstanden, dass die Russen sagen: ihr habt 30 Millionen von uns umgebracht mit 'Tigern' und jetzt kommt ihr mit 'Leoparden'. Wir sollten versuchen, Frieden zu schaffen. Und wir sollten versuchen, die Hände auszustrecken. Wir sollten versuchen, miteinander zu verhandeln. Aber verhandeln und Waffen, das schließt sich aus."
Ein Leben mit Höhen und Tiefen
Sein Leben war immer bewegt; es gab viele Höhen und Tiefen. Der Durchbruch gelang ihm mit 26 Jahren als Pianist mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Zur gleichen Zeit lernte Frantz auch Leonard Bernstein kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod eine sehr enge Freundschaft verband. Oft wurde beiden ein Verhältnis nachgesagt.
Obwohl Frantz in seiner Biografie offen zugab, neben seinen Ehen auch Beziehungen zu Männern gehabt zu haben - mit Bernstein war es anders: "Das war bei uns nicht so. Wir waren sehr, sehr gute Freunde, wahrscheinlich war ich mit sein bester Freund. Wir hatten ein wunderbares und schönes Verhältnis. Bis zu seinem Tod sind wir uns voller Freude begegnet."
Klavier-Coup mit Kanzler Schmidt
Auch mit Helmut Schmidt, selbst ein begnadeter Klavierspieler, verband Frantz eine lebenslange Freundschaft. 1981 bat Frantz ihn, zusammen mit dem Pianisten Christoph Eschenbach Mozarts Konzert für drei Klaviere in London aufzunehmen. Schmidt machte mit. Es war eine spontane Geheimaktion in den Abbey Road Studios. Ein deutscher Bundeskanzler spielt Mozart. Eine Sensation!
Frantz erinnert sich: "Maggie Thatcher, die ja immer so perfekt frisiert war - schauderhaft, aber so war sie - die hatte noch Lockenwickler im Haar. Die mussten ja alle morgens um sechs erstmal informiert werden, in zwei Stunden ist der deutsche Bundeskanzler hier und den müssen sie per Protokoll abholen."
Als Frantz die Idee hatte, Weltklassemusiker in die schleswig-holsteinische Provinz zu bringen, kam auch Bernstein - zum ersten Schleswig-Holstein Musik Festival 1986. Das Klassik-Festival mit Konzerten im ganzen Land entwickelte sich bald zu einem Musikereignis von Weltrang. Frantz war dessen Intendant bis zu seinem Rücktritt 1994, infolge eines Millionendefizits.
Ab November auf Tour mit der "Philharmonie der Nationen"
Im vergangenen Jahr wurde Gründer Frantz ausgeschlossen - unter anderem wegen seiner Nähe zu Menschen, die der russischen Regierung nahe stehen und den Angriff auf die Ukraine relativieren, hieß es von der Festivalleitung. "Naja, schön ist das natürlich nicht. Für mich war damit eigentlich der Anfang des Festivals verraten, denn das Festival war ja immer auch Friedensstifter und Vermittler", sagt Frantz.
Zur Ruhe setzen will er sich noch nicht - auch, weil er Geld verdienen muss. Im November geht er mit der 1995 von ihm gegründeten "Philharmonie der Nationen", seinem Lebenswerk, auf Tour. "Ich freue mich, im November wieder mit jungen Menschen aus vielen verschiedenen Ländern zusammen zu sein, darunter auch Russen und Ukrainer und Palästinenser und Israelis. Wir wollen zeigen, dass wir uns dem praktischen Friedensgebot stellen!"