SHMF ohne Justus Frantz: Intendant Kuhnt erhebt Vorwürfe
Justus Frantz, der das Schleswig-Holstein Musik Festival selbst gegründet hat, werde nicht mehr eingeladen - das hat am Wochenende der "Spiegel" geschrieben. Inzwischen hat sich Festival-Intendant Christian Kuhnt in der "Zeit" dazu geäußert.
Ein Gespräch mit Mischa Kreiskott aus der NDR Kultur Musikredaktion.
Was hat es auf sich mit dem Auftrittsverbot?
Mischa Kreiskott: Es geht - oh Wunder - um Justus Frantz' Haltung gegenüber Russland, gegenüber dem russischen Krieg in der Ukraine, um seine Auftritte in Moskau, zum Beispiel um ein Konzert mit dem Orchester des Marinski-Theaters, das er gegeben hat. Er war auch Jury-Mitglied im vergangenen Sommer beim Tschaikowsky-Wettbewerb im Moskau. Es geht um seinen Freund Valery Gergiev, mit dem er eng befreundet ist, der ein Putin-Vertrauter ist, der gerade Chef des Bolschoi-Theaters geworden ist. Es geht um Salons, die Justus Frantz in seinem Haus gibt, mit Menschen wie Alice Weidel oder Sahra Wagenknecht - beide sind der Ansicht, dass man mehr Verständnis für die russische Position haben sollte. Justus Frantz hat in der Vergangenheit noch regelmäßig Konzerte beim SHMF gegeben - dieses Jahr nicht mehr. Auch für nächstes Jahr sind keine Konzerte geplant, und das, obwohl Justus Frantz nächstes Jahr 80 wird.
Warum kommt das Ganze jetzt an die Öffentlichkeit? Schon im September hat jemand eine Petition gestartet: "Stoppen Sie den Ausschluss von Justus Frantz beim Schleswig-Holstein Musik Festival". Diese Petition hat seitdem etwas mehr als 80 Unterzeichner gefunden. Das ist nicht unbedingt eine Massenbewegung und ist auch nach dem Medienecho nicht mehr geworden.
Justus Frantz beruft sich auf das Recht der Kunst, unpolitisch zu sein. Das hat er immer wieder getan. Wie reagiert der Festival-Intendant Christian Kuhnt darauf?
Kreiskott: Der versucht es mit einem rhetorischen Kunststück, wiegelt erst mal ab und sagt: "Warum, es sind doch gar keine Konzerte geplant gewesen, also können wir auch keine absagen." Dann wendet er sich aber im weiteren Verlauf dieses Interviews in der "Zeit" und sagt, es sei zum Beispiel nicht akzeptabel, dass Justus Frantz Dinge sage wie: Die Annexion der Krim sei Wiedergutmachung historischen Unrechts. Er wirft ihm vor, dass er sich bewusst oder unbewusst in den Dienst von Putins Propaganda-Apparat stelle. Aus diesen Gründen habe er keinen Platz mehr beim Festival. Christian Kuhnt wünsche Justus Frantz, dass er für die Vernunft und Menschlichkeit nicht verloren sei. Also einerseits abwiegeln, andererseits ziemlich klare Kante zeigen: Der tritt hier nicht mehr auf.
Als Justus Frantz im Sommer beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau war, hast Du mit ihm über dieses Thema gesprochen. Wie stellt er sein Engagement dort dar?
Kreiskott: Das war ein ganz merkwürdiges Gespräch. Ich wollte ihn konfrontieren, aber es war, wie wenn man zu einem Squash-Match verabredet ist und der Partner bringt Seifenblasen mit statt eines Schlägers. Er war unendlich freundlich, egal wie man ihn konfrontiert hat. Ich habe ihn erst mal gefragt: "Herr Franz, wie sind Sie denn überhaupt dahin gekommen?" "Das war gar kein Problem. Ich musste nur von Helsinki mit dem Auto fahren." Das sind 1.000 Kilometer, für einen 79-Jährigen. Ich habe ihn dann gefragt, ob er etwas von dem Prigoschin-Putsch mitbekommen hätte, der genau zu dem Zeitpunkt stattgefunden hat. Nein, das sei alles in westlichen Medien aufgebauscht worden. Ob man denn in den Jurys auch mal über Politik oder den Krieg spreche? "Nein, dazu haben wir gar keine Zeit. Wir haben ja so viele künstlerische Fragen zu klären." Schließlich habe ich ihn auch gefragt, ob ihm das nicht zu denken gegeben habe, als Tatjana Golikowa, die Vize-Ministerpräsidentin, den Wettbewerb eröffnet hat und sagte, er sei ein Beweis dafür, dass Russland nicht isoliert sei. Da meinte er: "Der bin ich, glaube ich, nicht begegnet. Ich habe mich heute mit einer fabelhaften japanischen Jurorin unterhalten und habe Valery Gergiev gesehen, dem, finde ich, großes Unrecht widerfahren ist. Bei der Eröffnung des Schleswig-Holstein Musik Festivals wird auch manches gesagt, was Schleswig-Holstein wichtiger macht, als es ist. Das ist nun mal so. Nicht alles, was in Reden vorkommt, gefällt uns."
Also eine erstaunliche, immer fröhliche und auch zugewandte Haltung. Es wirkt fast naiv. Wenn ich dann höre, mit wem er sich umgibt und an welchen Diskussionen er teilnimmt, kann ich ihm das aber nicht so richtig glauben.
Das Interview führte Philipp Cavert.