Im Gegenlicht: Rechte Aussteiger wagen sich auf die Bühne
Die Schattenkonzerte in Hannover widmen sich in diesem Jahr Menschen, die den Ausstieg aus der rechten Szene geschafft haben. Zu den Klängen klassischer Musik und nur als Schattenfiguren berichten sie von ihren Erfahrungen.
Zwei Männer hinter einer weißen Wand, nur als Schatten ihrer selbst zu sehen. Sie erzählen vom gewalttätigen Vater, der Mutter, die sie früh rausgeschmissen hat. Und dann war da die Faszination, Teil einer großen Gruppe zu sein – der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) - als grölende Rechtsextreme von ihresgleichen anerkannt: gemeinsames Migrantenjagen, gemeinsam saufen.
Taumelnde Klänge erklingen, das Orchester im Treppenhaus spiegelt mit seiner Musik die Gefühlslage der sprechenden Personen: wie sie Mut fassen, sich auf einmal wichtig fühlen. Was geht in ihnen vor?
Raum für individuelle Reflexion
Jeder müsse die Lösung selber finden, sagt Bratschist und Orchester im Treppenhaus-Mitglied Yannick Hettich. "Wir haben relativ viel zeitgenössische Musik, die einfach wahnsinnig vielfältig ist in der Stimmung, die extrem viele Aspekte bietet." Das eröffne den Raum für individuelle Reflexion.
Kraftvolle Musik ertönt in der Rampe, in der Nordstadt, Hannover, als ein Aussteiger von seinen Glücksmomenten beim Parteitag der NPD erzählt. Der kratzende Ton der Oboe macht dann seine Zweifel hörbar, während er berichtet, wie ihm dämmerte, seine Partei habe keine Chance, an die Macht zu kommen, und wenn, dann gäbe es vermutlich ein Blutbad.
Ich finde keine passenden Worte für das, was in mir passierte. Ich merkte, dass der Hass an mir fraß. Ich merkte, dass sich da irgendwas in mir regte an Menschlichkeit. Dass ich das alles nicht mehr rechtfertigen konnte. Keinen Kulturkampf, kein Freiheitskampf, konnte das vor meinen eigenen Gefühlen rechtfertigen. Text aus "Schattenkonzert 2025 #austieg"
Austausch über Ausstieg immer noch schwierig
Dieser Aussteiger kann offen reden, weil er im geschützten Raum hinter der Wand ist. Das ist dieIdee der Schattenkonzerte: Menschen im geschützten Raum eine Stimme geben. Zugleich ist aber dieser Aussteiger auch vereint mit allen, zugehörig. Das, was er einst bei den Rechtsradikalen suchte, findet er jetzt: Gemeinschaft. Offen über den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene zu sprechen, ist jedoch immer noch schwer.
"Dieses ganze Thema Aussteiger in der Öffentlichkeitsarbeit wird sehr, sehr kontrovers gesehen", sagt Kai Fischer von der Aussteigerhilfe Rechts, die im niedersächsischen Justizministeriums angesiedelt ist und bei dem Projekt mit dem Orchester im Treppenhaus kooperiert. Schließlich wolle man auch nicht, dass sich Menschen dadurch profilierten und Opfer darunter leiden, wenn die Täter in die Öffentlichkeit treten.
Schüler von Offenheit beeindruckt
Bei der Veranstaltung ist auch Schülerinnen und Schüler der Goethe-Schule im Publikum. Sie hören gebannt zu, sind interessiert daran, wie es den Aussteigern heute geht. "Ich fand es sehr nahbar dadurch, dass das so persönlich erzählt wurde und nicht wie eine Rede vorbereitet wurde", sagt eine Schülerin. Ein Junge ist von dem intimen Aufbau begeistert, der dazu beitrage, dass man in die Schicksale hineingezogen werden. Eine ander Schülerin findet es mutig, dass sie Aussteiger so viel Persönliches preis geben.
Kann es so harmonisch enden, wie manche Musik des Orchesters im Treppenhaus klingt? Das Schattenkonzert jedenfalls gibt den Betroffenen und dem Publikum noch einmal einen ganz eigenen Begegnungsraum.