Eberhard Michaely: Ein Experte in Sachen Neuanfang
Schlagzeug und Saxofon im Landesjugendorchester des Saarlandes, eine Schreinerlehre, ein Jazzstudium, einen Laden eröffnet und heute Busfahrer und Regionalkrimiautor: Der Hamburger Eberhard Michaely weiß, was Neuanfänge sind und wie sie funktionieren.
Neuanfänge brauchen immer ein bisschen Mut - und vor allem den Mut, etwas Altes zurückzulassen. Woher nehmen Sie das?
Eberhard Michaely: Ich hatte schon immer ein großes Selbstvertrauen, dass alles gut werden wird in meinem Leben. Das ist einfach so. Ich habe schon mal von jemandem gehört: Du fällst immer auf die Füße. Da ist was dran. Andererseits kann man nur auf die Füße fallen und den Beruf wechseln, wenn man sich traut, den einen Weg zu gehen, den man vorher nicht einsehen konnte. Ein gewisses Risiko beinhaltet das natürlich. Man kann auch mal auf die Nase fallen, keine Frage, aber ich sage immer: Nur wer den vertrauten oder bekannten Weg verlässt, wird Neues entdecken.
Wie erschließen Sie sich etwas Neues?
Michaely: Ich gehe immer sehr vorsichtig an die Sachen ran. Es ist nicht so, dass ich mich in alles hineinstürze. Ich überlege mir vorher: Kannst du das? Was könnte passieren? Ich komme nicht abends nach Hause: Ab morgen krempel ich mein komplettes Leben um. Das kann man natürlich nicht machen. Man muss ein paar Dinge bedenken und auch das Scheitern miteinbeziehen in seine Gedanken. Aber dann muss man irgendwann springen. Den Schritt muss man machen. Es ist so, dass Leute oft jahrelang, obwohl sie eigentlich wissen, dass sie unglücklich in ihrem Job sind, immer wieder dahingehen, aus Angst, den aufzugeben und in einem neuen Job vielleicht nicht wirklich Fuß zu fassen. Aber das ist keine Alternative - für mich wäre es keine Alternative. Deswegen habe ich immer mal wieder etwas Neues ausprobiert.
In Ihrer Biografie sind der Busfahrerführerschein und der Personenbeförderungsschein sicherlich einer der krasseren Brüche. Haben Sie irgendwann mal gedacht: Oh Gott, was fängst du denn jetzt an? Oder sind Sie gleich begeistert gewesen von diesem Wechsel?
Michaely: Ich war gleich begeistert. Ich habe mir im Vorfeld schon überlegt, dass das was für mich sein könnte. Es war eher so, als ich zu meiner Frau gesagt habe, ich bewerbe mich jetzt als Busfahrer, dass sie gesagt: Was machst du? Das war für Außenstehende im Freundeskreis viel absurder als für mich selbst. Für mich war das eigentlich ein ganz logischer Schritt und ich habe es auch nicht bereut im Nachhinein. Ich fahre immer noch gerne Bus. Ich mache das jetzt seit sechseinhalb Jahren.
Sie sind das beste Beispiel dafür, dass das überhaupt nicht despektierlich gesehen werden darf. Aber wahrscheinlich haben Menschen das gedacht oder: Der Jazzmusiker wird jetzt Busfahrer - was ist denn da los?
Michaely: Es gibt immer ein bisschen die Angst vor dem sozialen Abstieg und dem Imageverlust. Ich kann das alles gar nicht nachvollziehen. Es ist mir auch völlig egal, was andere Leute denken. Das spielt in meiner Welt keine Rolle. Ich habe schon früh diese Ausbildung gemacht und habe morgens um 6 Uhr an der Werkbank gestanden. Das ist eine Erfahrung, die viele Akademiker oder andere Musiker gar nicht gemacht haben. Insofern sehe ich über den Tellerrand hinweg und habe keine Berührungsängste damit.
Die ziemlich erfolgreiche "Frau Helbing"-Reihe und gleichzeitig Busfahrer - befruchtet das eine das andere?
Michaely: Ja, es ist wunderbar. Beim Busfahren habe ich eine Inspirationsquelle. Ich habe an den Tagen, an denen ich nicht Busfahrer bin, wunderbar Zeit, mich hinzusetzen und kreativ zu sein. Dann habe ich auch wieder Pausen. Ich fahre morgens um 4.01 Uhr einen Bus vom Hof, da muss man pünktlich sein, da hat man dann Struktur im Leben. Wenn ich dann die Bustage wieder hinter mir habe und schreiben kann, tauche ich wieder in eine andere Welt ein. Diese Abwechslung finde ich total reizvoll. Mir kommt das sehr entgegen.
Der Berufsverkehr in Hamburg ist nicht immer wie die Rallye Paris-Dakar. Können Sie dabei auch gut nachdenken - sei es übers Schreiben oder auch über ganz andere Sachen?
Michaely: Das kommt immer darauf an, welche Linie man fährt und zu welcher Tageszeit.
Wenn man sonntags die 14 hat?
Michaely: Da ist natürlich nicht wirklich was los. Man fährt nicht nur zur Hauptverkehrszeit - da ist es schon manchmal stressig. Das muss man ehrlicherweise sagen. Dann kann man sich dabei nicht noch einen Kriminalfall ausdenken.
Es gab auch mal einen Abschied, den sie getätigt haben: ein kleiner Laden, ich glaube für Kindersachen in Ottensen. Was war das für ein Projekt?
Michaely: Das war ein zweites Standbein - meine Frau ist auch Musikerin. Irgendwann habe ich gedacht: Brauchen wir noch etwas für den Fall, dass das mit der Musik gerade nicht läuft? Dann haben wir einen Laden für Kinderbekleidung und Spielwaren viele Jahre lang in Ottensen betrieben. Das war auch eine schöne Zeit.
Wie groß war der? Was war da für eine Atmosphäre?
Michaely: Der war winzig. Das war ein ganz kleiner, ein bisschen altmodisch eingerichteter Stöberladen. Die Leute haben den geliebt, vor allen Dingen die Kinder. Die haben sich die Nasen immer am Schaufenster platt gedrückt.
Den aufzugeben - hat Ihnen das weh getan?
Michaely: Nein, überhaupt nicht, aus zwei Gründen: Erstens hänge ich an gar nichts in meinem Leben. Ich könnte morgen das Busfahren aufgeben und etwas anderes machen. Ich bin da völlig schmerzfrei. Zweitens hat sich das so entwickelt, dass sich irgendwann der Internethandel immer stärker in den Vordergrund gedrängelt hat, zu Lasten des Einzelhandels. Ich habe relativ früh erkannt, dass der Einzelhandel keine Zukunft hat. Das hat sich ja auch bewahrheitet. Man sieht sehr viel Leerstand, mittlerweile sogar in Hamburg in der Mönckebergstraße. Das hätte man früher nicht gedacht.
Haben Sie manchmal schon an den nächsten Neuanfang denken können?
Michaely: Nein, habe ich noch nicht. Das hat sich im Moment noch nicht ergeben. Im Moment bin ich sehr froh mit dem, was ich mache. Ich möchte nichts ausschließen für die Zukunft.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.