Idagio, Deezer & Co: Alternativen zu Spotify für Klassik-Acts
Der Musikstreaming-Dienst Spotify hat ein neues Ausschüttungsmodell eingeführt. Lohnt sich das Streaming für Klassik-Künstler*innen noch? Welche alternativen Plattformen gibt es?
Spotify hat sein Ausschüttungsmodell im Januar geändert: Mit einer Mindestgrenze von 1.000 Streams pro Jahr, ab der überhaupt Tantiemen fließen. Die Musikstreaming-Welt für klassische Musikerinnen und Musiker wird damit nicht wirklich neu justiert. Interessant ist jedoch aus gegebenem Anlass die Frage: Welche alternativen Plattformen gibt es? Was bieten sie für Künstler wie Publikum?
Apple und Spotify sind alternativlos
Künstlermanager Hasko Witte betreut mit seinem "Büro für Künstler" mit Sitz in Buxtehude Klassik-Größen wie den Pianisten Matthias Kirschnereit, das Boulanger Trio und die Klarinettistin Sharon Kam. Namhafte Künstlerinnen und Künstler, für die gerade die großen Streaming-Plattformen ein Muss seien, so der Manager. Denn Musik hören die meisten Menschen heute digital: "Deswegen sind diese großen Streaming-Plattformen wie Apple und Spotify alternativlos."
Voraussetzung sei natürlich, dass die Plattenfirmen beziehungsweise entsprechende Distributionsteams die Musiken bei den Streaming-Plattformen anmelden. Die Hoffnung ist, auf Playlists zu landen und dadurch Streamings in Millionenhöhe zu bekommen. So gelang es Matthias Kirschnereit, mit einem zweieinhalb Minuten kurzen Mendelssohn-Stück auf über 15 Millionen Abrufe zu kommen. Spotify erstelle die Playlists mit Künstlicher Intelligenz. "Man kann ungefähr rechnen, dass man den Gegenwert einer verkauften CD ab etwa 3.000 Streamings reinbekommt", erklärt Witte.
Apple Classical Music kuratiert händisch
Apple Classical Music sei im Klassikbereich attraktiver, denn die Playlists werden von Experten kuratiert. "Gerade für den Klassik-Bereich gibt es in Berlin einen Herren, der für Apple Deutschland den Klassik-Bereich kuratiert", erklärt Witte. Dieser sei von der Plattenindustrie sehr umworben. "Es werden Marketing-Pläne mit ihm entwickelt. Plattenfirmen müssen sagen, wie viel Geld sie für Social-Media-Aktivitäten investieren und wo sie wiederum auf Apple und so weiter verlinken."
Deezer aus Paris: Standard-Plattform mit Künstler-Profilen
Neben Spotify und Apple Classical Music ist als weitere Streaming-Plattform noch Deezer zu nennen, ein französischer Anbieter mit Sitz in Paris. Die Gestaltungsmöglichkeiten seien zwar sehr begrenzt, sagt Witte, doch: Deezer ist eine Standard-Plattform - auch mit Künstler-Profilen. "Das wird von Deezer selbst mit kleinen Fotos und Texten versehen. Wenn man dann sagt: 'Das ist ein ganz altes Foto von mir', kann man das Foto austauschen. Ansonsten kann man da selbst nicht so wahnsinnig viel tun."
Idagio in Berlin hat eigenes Studio, Qobuz aus Paris für "Nerds"
Wenn auch mit geringerer Reichweite ausgestattet, bleiben eine Reihe von Plattformen wichtig, die Streaming in höherer und höchster Qualität anbieten. So etwa Idagio: ein Anbieter für Video- und Audio-Streaming, gestartet 2015, mit Sitz in Berlin. Das Besondere ist aus Künstler*innen-Sicht das so genannte Fair-Artist-Payout-Modell von Idagio, wonach Geld an Musiker und Labels pro gehörter Sekunde und nicht pro Klick gezahlt wird. Der Dienst sei sehr spezialisiert: "Es ist nur klassische Musik. Teilweise auch selbst produzierte klassische Musik. Idagio hat ein eigenes Studio. Da kann man aufnehmen und gleich streamen." Dies sein ein toller Service, "allerdings erreicht man darüber nicht so wahnsinnig viele Menschen." Die Suchfunktion bei Idagio ist natürlich auf Klassik-Kenner*innen ausgelegt.
Die gleiche Zielgruppe hat Qobuz vor Ohren: ein französischer Streamingdienst, der klassische Musik hochauflösend in verschiedenen Formaten anbietet, das sei ein "Bisschen auch was für Nerds", kommentiert Witte lächelnd.
Streaming: Definitiv Thema für klassische Kreative
Streaming ist also definitiv ein Thema für klassische Musikerinnen und Musiker. Für Künstler-Manager Hasko Witte ist das Thema sogar der Dreh- und Angelpunkt bei jedem Projekt. Und das bedeutet: "Streaming-affin" zu sein ist unabdingbar etwa für ein Album-Konzept, indem es auch kurze Musikstücke berücksichtigt - damit der Sprung auf Playlists gelingt.
Dann spielt auch Spotifys neues Ausschüttungsmodell sicherlich keine Rolle mehr: Die magischen 1.000 Streams pro Jahr machen Playlists locker erreichbar. Es gehöre einfach heute zur strategischen Entwicklung dazu, dass man bei tolles Projekt frage: "Wie kriegen wir das auf den Streaming-Plattformen unter?" so Witte.
Anmerkung der Redaktion: In einem Interview mit NDR Kultur sagt Hasko Witte, Labels könnten sich über Agenturen bei Spotify in wichtige Playlisten einkaufen. Dazu merkt der Streaminganbieter an, solche Praktiken verstießen gegen die Nutzungsbedingungen des Unternehmens. "Wenn wir potenzielle Fälle von Streaming-Manipulation erkennen oder darauf aufmerksam gemacht werden, mildern wir die Auswirkungen, indem wir Maßnahmen ergreifen, die die Entfernung von Streams und die Einbehaltung von Tantiemen beinhalten können".