"Wild nach einem wilden Traum": Julia Schoch schließt Trilogie ab
Was passiert, wenn die Lust verblasst und die Liebe abstumpft - davon hat Julia Schoch in dem zweiten Band ihrer Trilogie erzählt. Nun erinnert sich die Erzählerin an eine Episode, in der die Liebe wild und fordernd aufflackerte.
"Stürzen Sie sich vor allem in die Liebe. Verschwenden Sie sich. Sparen Sie sich und Ihre Gefühle nicht auf. Seien Sie großzügig und mutig, wenn es um die Angelegenheiten des Herzens geht." Diese Anregungen hat die Schriftstellerin Julia Schoch vor einiger Zeit jungen Menschen in Saarbrücken, Abiturientinnen und Abiturienten, mit auf den Weg gegeben. Ihre Rede hatte die Überschrift: "Love love love". Diese unüberbietbare Wichtigkeit der Liebe und all das Glück und all der Schmerz rundherum bieten das Fundament der Trilogie "Biografie einer Frau", die Julia Schoch jetzt mit ihrem neuen Roman abschließt.
Wenn die Liebe wild und fordernd wird
Warum gibt es eigentlich die Kultur? Man sagt immer, sie erst mache den Menschen wesentlich, hebe ihn hinaus über alles profane Nützlichkeitsdenken, habe keinen fassbaren Zweck und gebe gerade dadurch dem Leben erst Sinn. Vielleicht aber ist es auch ganz anders, viel pragmatischer, denkt sich die Erzählerin in Julia Schochs neuem Roman. Sie, die die 50 wohl inzwischen knapp überschritten hat, denkt zurück an eine Zeit, da sie als junge Dozentin Literatur lehrte; sie bot Seminare an, die vor allem junge Männer anziehen sollten, Seminare über Houellebecq, Absurdes Theater, die Postmoderne - die paar Männer, die überhaupt Literatur studierten, sollten alle bei ihr landen.
Was passiert, wenn die Lust verblasst und die Liebe abstumpft - davon hat Julia Schoch in "Das Liebespaar des Jahrhunderts" erzählt, dem zweiten Band ihrer Trilogie. Nun erinnert sich die Erzählerin an eine Episode, in der die Liebe wild und fordernd aufflackerte. Vor gut 20 Jahren war sie - die Literaturwissenschaftlerin mit dem immer mächtiger werdenden Wunsch, Schriftstellerin zu sein - Stipendiatin in einer kleinen Künstlerkolonie im Nordosten der USA. Da war dieser Katalane: nicht übermäßig schön, aber zutiefst charismatisch:
Es passierte sehr bald nach unserer Ankunft. Verhaltene Gespräche, Gläsergeklirr, im Innern des Hauses Licht, draußen Finsternis, Sterne (nehme ich an). Der Katalane, der bis dahin am Geländer der Veranda gelehnt hatte, richtete sich auf und gab mir über die Köpfe der anderen hinweg ein Zeichen. Jedenfalls deutete ich es so: Er hielt seine rechte Hand mit den gespreizten Fingern in die Luft. Dann verschwand er. Fünf Minuten später verließ ich ebenfalls die Veranda und stieg hinauf zu seinem Zimmer. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, was seine Geste zu bedeuten hatte. Leseprobe
Julia Schoch schafft eine ganz eigene Realität
Julia Schochs Schreiben wird gern - durchaus auch unter Mitwirkung ihres Verlags - das Label "Autofiktion" aufgeklebt. Aber ganz abgesehen davon, dass diese Zuschreibung überhaupt keinen Mehrwert hat, man ihre Bücher also mit ebenso großem Gewinn lesen kann, wenn man noch nie von diesem Modewort "Autofiktion" gehört hat - ganz abgesehen davon handelt es sich hier auch einfach um ein Missverständnis: Nicht sie bedient sich der sogenannten "Wirklichkeit", um erzählen zu können, sondern indem sie erzählt, schafft sie eine ganz eigene Realität: "Durch dieses Schreiben vernichtet man natürlich auch in gewisser Weise Wirklichkeit, weil der andere es anders erzählen würde. Ich bin auch euphorisch dabei, weil man etwas Drittes erschafft. Die Literatur ist etwas, was es noch nicht gab. Das ist die Magie des Schreibens", sagt Schoch.
Nachdenken über die Liebe und das Schreiben
Es ist diese sonderbare, geradezu wortlose, diese kurze heftige Liebe zum Katalanen, die die damals junge Frau zum Schreiben bringt. Sie will auch so souverän über ihr Leben verfügen können wie der Katalane - geht das nicht nur im Schreiben? Sie erinnert sich an ihre Kindheit am Rande einer Garnisonsstadt am Stettiner Haff, an ihre regelmäßigen Begegnungen mit einem Soldaten im Wald. Seine zunehmende Anhänglichkeit wurde nur deshalb nicht bedrohlich, weil sie sich dagegen entschied, sich von ihm bedroht zu fühlen. Schon die Zwölfjährige hatte den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, und der Soldat sagte ihr:
Ich bin sicher, du schaffst es, bestimmt. Man muss wild danach sein. Wild nach einem wilden Traum. - Er wiederholt den Satz, zweimal. Leseprobe
Wild ist diese "Biographie einer Frau", ein wildes ungezügeltes Nachdenken, Seufzen, Jubilieren über das, was allein zählt im Leben: die Liebe; das Schreiben.
Wild nach einem wilden Traum
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3423284257
- Preis:
- 23 €