Petition gestartet: Hamburger Sängerin Miu kritisiert Spotify-Pläne
Der Musikstreamingdienst Spotify will ab dem 1. Januar nur noch Songs vergüten, die jährlich mindestens 1.000 Mal aufgerufen werden. Gegen diese und noch andere Pläne hat der Verband Pro Musik eine Petition gestartet.
Für freischaffende Musikerinnen und Musiker bedeutet das Streamen der Werke bei Spotify ein Einkommen, wenn auch meistens ein sehr geringes. Nina Graf, als Hamburger Soulsängerin Miu sehr erfolgreich, ist im Vorstand des Verbandes Pro Musik und engagiert sich ehrenamtlich für Interessen von freischaffenden Musikerinnen und Musikern.
Frau Graf, was genau kritisieren Sie an den Plänen von Spotify?
Nina Graf: Zum einen sind die Ankündigungen sehr kurzfristig vor Weihnachten gekommen, und man wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Vor allem wurden die Musikschaffenden und die Indie-Labels in diese Pläne gar nicht mit einbezogen. Wir finden, dass es nicht geht, dass ein Streamingdienst entscheidet, ob und wann er Musik überhaupt vergütet, dass die Verteilung dieser Gelder, die dann eingespart werden - das sind jährlich rund 40 Millionen Dollar - von unten nach oben stattfindet, und dass es überhaupt keine transparenten Daten gibt, wie am Ende was genau abgerechnet wird, sodass man sich darauf einstellen könnte oder für sich als Künstler*in prüft, was das genau bedeutet. Diese Streams sind nicht nur an diese Mindestzahl gekoppelt, sondern auch an eine geheime Mindestanzahl an Hörer*innen, und auch der Berechnungszeitraum bezieht sich nicht auf ein Kalenderjahr, sondern verschiebt sich immer. Das wird in der Abrechnung irgendwann unübersichtlich. Mir konnte bisher keiner genau erklären, wie man das abrechnet.
Der Konzern sagte auch, man möchte gegen Betrüger vorgehen. Das kann Künstlerinnen und Künstlern eigentlich eher recht sein, oder?
Graf: Ja, grundsätzlich begrüßen wir, dass man das Betrugsthema bekämpfen möchte, das ist auf jeden Fall ein großes Problem. Dass sogenannter White Noise erst ab einer Mindestspieldauer vergütet wird, das finden wir erstmal alles gut. Aber Spotify ist ein so fortschrittliches Unternehmen, dass es etwas unglaubwürdig ist, dass es keine anderen Mittel gäbe, diesen Betrug zu bekämpfen, als pauschal mindestens rund 50 Prozent der Songs zu bestrafen. Man denkt immer, dass die meisten Songs bei Spotify wahrscheinlich ohne Mühe diese Schwelle erreichen würden, aber es gibt eine Masse von Songs, die das nicht tun werden.
Welchen Erfolg rechnen Sie sich aus mit der Petition?
Graf: Spotify ist Marktführer und ein riesiges Unternehmen, das es sich zumindest leisten kann, auch gegen Widerstände seine Pläne immer durchzusetzen. Man weiß auch, dass viele Musikschaffende Angst haben, dort nicht stattzufinden, und Spotify nutzt das auch für sich ein bisschen aus. Wir wissen also gar nicht genau, ob wir Spotify selbst zu etwas bewegen können, aber es geht vor allem darum, Öffentlichkeit zu generieren, Konsument*innen darüber aufzuklären, damit sie ihren Musikkonsum vielleicht überdenken, und wir wollen vor allem auch die Politik endlich ins Boot holen, damit künftig solche zivilrechtlichen Schlupflöcher verhindert werden können.
Viele sagen, dass sie sowieso wenig als Künstlerin oder als Künstler durch Spotify verdienen. Wie sind Ihre Erfahrungen oder die Erfahrungen von denen, die auch bei Pro Musik dabei sind?
Graf: Die Änderung werden sehr viele betreffen, einfach weil das Geldverdienen in den Streamingdiensten sehr davon abhängt, ob man in den kuratierten Playlisten stattfindet, die sehr viele Hörer*innen haben. Der Großteil der Musikschaffenden findet dort nicht statt; das sind nur die wenigsten, die da wirklich Geld einsammeln. Ich finde es ein bisschen schade, wenn man sich schon damit abgefunden hat, dass man mit den aktuellen Vergütungsstrukturen eigentlich nichts verdient. Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass Musik weiter entwertet wird, weil das eine ganze Kette in der Wertschöpfung von Musikschaffenden beeinflusst. Wenn ich mit Streaming nichts verdiene, dann muss ich mehr live spielen - der Live-Sektor hat sich aber seit Corona sehr verändert, Touren ist sehr viel teurer geworden. Auch das übt noch mehr Druck auf die Kulturpolitik aus, weil sie Dinge abfedern muss. Und das muss ja nicht sein. Spotify und die anderen großen Dienste machen anscheinend Geld damit - das ist halt nur nicht so gerecht verteilt.
Könnte man als Künstlerin sagen: Ich passe mich diesem neuen Geschäftsmodell durch andere Musik an, die ich mache, oder durch meine Musik, die ich irgendwie modifiziere, damit sie dann doch was bringt?
Graf: Man könnte überlegen, ob man das kann. Aber dadurch, dass diese Mindestanzahl an Streams an ein paar weitere, intransparente Nebenbedingungen geknüpft ist, kann man sich gar nicht so richtig drauf einstellen.
Und es wäre auch grausig, die Musik an irgendeinen großen Konzern anzupassen, oder?
Graf: Das sowieso. Aber auch da muss man sich keine Illusionen machen: Das findet natürlich zahlreich statt, eben weil Musikschaffende gerne in der Industrie stattfinden wollen und sie natürlich auch Geld mit ihrer Musik verdienen wollen.
Das Interview führte Philipp Schmid.