Eine Frau mit schwarzen Locken schaut nachdenklich in die Ferne. Der Hintergrund ist dunkel. © picture alliance / Pacific Press Foto: Massimo Solimene
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AUDIO: Aynur Doğan zur Erdbebenkatastrophe: "Mein Herz ist immer noch in Trauer" (4 Min)

Aynur Doğan zur Erdbebenkatastrophe: "Mein Herz ist immer noch in Trauer"

Stand: 07.03.2023 08:30 Uhr

Aynur Doğan ist eine kurdische Sängerin aus der Türkei und bangt mit den Menschen in den Erdbebengebieten. Sie will ihnen helfen und plant mit anderen Musikern ein Benefizkonzert.

Mehr als 50.000 Menschen sind vor einem Monat beim schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ums Leben gekommen. Millionen Menschen haben ihr zu Hause verloren. Schnell ist die internationale Hilfe angelaufen, aber wie laufen die Aufbauarbeiten und mit welchen Problemen haben die Menschen vor Ort aktuell zu kämpfen? Im NDR wollen wir heute mit einem Thementag in diese Gebiete schauen und Schicksale von Menschen erzählen. Die kurdische Sängerin Aynur Doğan arbeitet gerade an einem neuen Album und ist sehr traurig, was das Erdbeben alles angerichtet hat, erzählt sie uns im Interview.

Ist das Album beeinflusst durch die Zeit, in der wir gerade leben?

Aynur Doğan: Es ist ein Album, das von meinem ganzen Leben bestimmt ist. Ich habe vor fast sechs Monaten mit der Produktion angefangen und als die Katastrophe passiert ist, war ich gerade im Zug nach Köln unterwegs. Von diesem Moment an konnten wir die Arbeit für das neue Album natürlich erstmal nicht mehr fortsetzen.

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Wie haben Sie den Tag erlebt, an dem das Erdbeben in der Türkei und in Syrien stattfand?

Doğan: Eigentlich möchte ich mich erstmal vor allem bei den Menschen auf der ganzen Welt bedanken, die Teil der Solidarität mit der Türkei und Syrien sind und auch gespendet haben.

Als ich die Nachrichten gesehen habe, war ich wirklich total schockiert. Wie gesagt, ich war gerade auf dem Weg nach Köln. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, was ich sagen sollte. Ich wollte nur sofort mit jemandem zusammen sein, um meine Gefühle zu teilen oder einfach nur, um nicht alleine zu sein, gemeinsam zu weinen. Es war wirklich ein großer Schock. Mein Körper fühlte sich an wie tot. Und das Gefühl, dass ich den Menschen nicht helfen konnte, hat mich fast umgebracht.

Viele Menschen fühlen sich hilflos in einer solchen Situation. Wie können wir Solidarität zeigen, wie können Sie als Künstlerin Ihre Gedanken teilen?

Doğan: In den letzten zehn Jahren ist alles so befremdlich geworden, all diese Kriege um uns herum. Und dann die globale Pandemie, die wirtschaftlichen Probleme und all die Demonstrationen und Ungerechtigkeiten und die Naturkatastrophen. Die ganze Welt ist so kompliziert geworden, mit all diesen Problemen in vielen Ländern auf der ganzen Welt. Diese Energie ist für uns alle nicht gut. Da müssen wir auf uns aufpassen. Wenn solche Katastrophen passieren, müssen wir wissen, wie wir uns gegenseitig helfen und zusammenrücken können. An diesem Punkt sind Solidarität und Nächstenliebe wirklich so wichtig.

Wir hören oft, dass die Hilfe nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Wie ist Ihre Erfahrung, was sagen die Menschen in der Region: Kommt die Hilfe dort an?

Doğan: Es gibt viele Menschen und Organisationen, die immer wieder laut und deutlich sagen, dass viele Menschen vor Ort immer noch ohne Hilfe sind. Und dass es von Anfang an fast keine Organisationen, außer Nichtregierungsorganisationen gab, die versucht haben zu helfen.

Wir haben auch versucht, Leute anzurufen und die richtigen Kontakte zu finden, um dies zu besprechen und dringende Hilfe und Lieferungen in die Region zu organisieren. Es wurden einfach viele Fehler gemacht und das hat die Katastrophe noch größer gemacht.

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Natürlich kann man solche Katastrophen nicht verhindern - aber was muss getan werden, damit die Menschen dort ihre Häuser wieder aufbauen können?

Doğan: Das ist für die Zukunft wirklich sehr wichtig, wenn solche Katastrophen passieren. Wir alle müssen diese Art von Nothilfe bei Naturkatastrophen lernen. Wir müssen es ins Bildungssystem integrieren, um so etwas in der Schule zu lernen. Wenn unsere Städte und Lebensräume wieder aufgebaut werden, müssen wir zusehen, dass das erdbebensicher geschieht und auch an andere Katastrophen und entsprechende Schutzmaßnahmen denken. Da sollten wir keine Kompromisse eingehen.

Was können Sie als Künstlerin tun?

Doğan: Mein Herz ist immer noch in Trauer und ich trauere wie alle anderen auch. Ich möchte mich vor allem auf die Menschen konzentrieren, die sich künftig besonders einsam fühlen werden. Um bei ihnen zu sein und sie spüren zu lassen, dass auch wir trauern und dass sie nicht alleine sind.

Natürlich werden wir auch als Musiker versuchen, ein Benefizkonzert zu organisieren, um damit Hilfe zu organisieren. Wir müssen alles tun, was wir können, um bei den Menschen zu sein in diesem großen Schmerz. Es wird Zeit brauchen, um zu heilen. So etwas vergisst du nie, aber zumindest wird es irgendwann ein bisschen leichter.

Gibt es ein Lied oder eine Songzeile, die Ihnen ans Herz geht, wenn Sie an solche Katastrophen und die Opfer denken?

Doğan: Es ist, ehrlich gesagt, genau so, als ob du nichts fühlst, als wärst du völlig leer. Es gibt nur Klage, ich kann nur Klage fühlen, und bei all diesem Schmerz kommt nur Wehlaut aus meinem Herzen und meinem Mund als Frau. Es gibt keine Worte, die diesen Schmerz beschreiben. Du kannst dich auf nichts mehr konzentrieren, wenn du diese Videos gesehen hast. Wenn du die Situation dort drüben siehst und versuchst, dir das vorzustellen, bekommst du keine Luft mehr. Das ist ein großer, großer Schmerz.

Es ist ja ein riesiges Gebiet, und selbst, wenn man versucht zu helfen, wird es nie genug sein, weil das Gebiet so groß und die Katastrophe so unfassbar ist. Aber zumindest sollen die Menschen spüren, dass jemand bei ihnen ist und dass wir ihre Trauer, ihren Schmerz teilen. Das ist etwas, was wir für sie tun können.

Wir müssen einander Hoffnung und Liebe geben, Respekt und Solidarität zeigen. Um mich herum haben viele Freunde von mir ihre Freunde und Verwandten verloren. Ich denke, mit viel Solidarität können wir uns gegenseitig etwas heilen und wir können den Menschen helfen, ihre Zukunft vielleicht etwas besser zu machen.

Das Interview führte Philipp Schmid.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 07.03.2023 | 16:45 Uhr

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Rock und Pop

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