"Schwerelos": Kunst zum Staunen und Augenreiben in Wolfsburg

Stand: 10.10.2024 06:00 Uhr

Schwebende Häuser, unendliche Treppen, eingefangene Wolken: Der argentinische Künstler Leandro Erlich bringt das Publikum zum Staunen. "Schwerelos" im Kunstmuseum Wolfsburg ist seine erste monografische Ausstellung in Deutschland.

von Sylvie Kürsten

Kunstvoll spielt Erlich mit unserer Wahrnehmung, die Realität wird bei ihm auf den Kopf gestellt. Dabei ist das Publikum oft Teil seiner interaktiven Installationen: Man staunt, und manchmal traut man den eigenen Augen nicht. Trotz des Ausstellungstitels: "Schwerelos" ist der Aufbau im Kunstmuseum Wolfsburg ein echter Kraftakt.

Sechs Lastzüge Material werden hier noch bis zur allerletzten Minute verbaut. "Meine Ausstellung ist nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell anspruchsvoll. Sie vereint universelle Fragen aus der Soziologie, der Politik und der Ökologie und verbindet das alles noch mit dem großen Unbekannten", sagt Erlich.

Begehbarer Mond soll verführen

Eine Kuppel, die an einen Mond erinnert wird gerade im Museum aufgebaut. © NDR Screenshot
Eine Installation im begehbaren Mond stellt die von Menschen geschaffene Welt als eine von vielen Möglichkeiten dar.

Nichts weniger als "alles", das macht der studierte Philosoph zum Thema. So erschafft Leandro Erlich hier einen Kosmos aus hängendem Haus, begehbarem Mond und einer Rakete, die in der Realität nicht abheben wird - nur in der Illusion. Dazu der Künstler: "Wenn wir wollen, dass sich Menschen einbringen und mitmachen, dann können wir nicht einfach sagen: 'Das ist ein interaktives Kunstwerk, setz dich auf die Bank, schau nach oben und lies den Text.' Nein, es geht um Verführung. Man muss den Zuschauer dazu verführen, dass er selbst von etwas Teil werden will."

Mit Spiegeltricks zur Illusion der Schwerelosigkeit

Erlich ist bekannt dafür, Leute ins Staunen und in Bewegung zu versetzen - sie etwa durch Spiegeltricks zu Mitgestaltern seiner Kunst zu machen - und die gewohnte Realität zu hinterfragen. "Ich will Menschen zu einer Reise in ihr Innerstes einladen", erzählt er. Sein schwebendes Haus setzt alle bekannten Prinzipien außer Kraft.

Ein Sofa, ein Buch, eine Lampe fliegen scheinbar schwerelos durch die Luft. Nichts scheint hier zu gelten. Nicht, weil Leandro Erlich die Realität leugnet, wie so viele. Sondern weil er drängende Fragen hat: Wie lange finden wir alle noch Heimat auf diesem Planeten? Wo? Wie? "Dieses Haus ist ein Sinnbild für Geborgenheit und Heimat. Egal wohin uns der technologische Fortschritt noch führen mag, der Faktor Mensch wird immer bleiben", erklärt Erlich.

Ein Blick von unten durch einen Glasboden auf eine Museumsbesucherin, die auf einer höheren Ebene läuft. © NDR Screenshot
Ein Raumschiff: In der Installation scheinen die Besuchenden zu schweben.

Im Mittelpunkt von Erlichs Kosmos stehen wir Menschen - unsere Bedürfnisse und Beschränkungen. "The sky is the limit" hieß es einst. Doch wirklich groß denken können nur wenige. So wird Erlich zum Türoffner, will uns ins Unbekannte locken. Im Mond werden später Sterne projiziert und nachts erleuchtete Städte. Also auch die Welt, die wir geschaffen haben. "Wenn uns diese Welt nicht gefällt, dann wissen wir doch eigentlich, dass wir sie verändern und verbessern können", erklärt der Künstler. Das sei nur möglich, wenn wir die Dinge nicht so wahrnehmen, als wären sie starr, unumstößlich und größer als wir selbst.

Auf dem Kopf stehende Welt auf den Kopf stellen

Antworten liefert Kunst bekanntlich nie, aber Erlich eröffnet einen Perspektivwechsel. Sein Raumschiff rast nämlich in Wolfsburg auf unsere Erde zu, die hier an die Decke projiziert ist. Und lässt uns um die Ecke gucken: Menschen neben, über und unter uns sehen. Als Freunde, nicht als Feinde, betont Erlich: "Mir widerstrebt dieser allgegenwärtige Trend, Menschen auszugrenzen, bestimmte Glaubensrichtungen oder Kulturen auszuschließen. Das ist nicht nur unmoralisch, sondern wir entfernen uns damit auch von möglichen Lösungen."

Mit kolossaler Kunst Zivilisations-Ballast abwerfen, geht das? - Ja, vielleicht lässt sich eine Welt, die Kopf steht, nur retten, indem man sie nochmals auf den Kopf stellt.

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"Schwerelos": Kunst zum Staunen und Augenreiben in Wolfsburg

Schwebende Häuser, unendliche Treppen, eingefangene Wolken: Der Künstler Leandro Erlich fordert das Publikum mit seinen Illusionen.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
38440  Wolfsburg
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 10-18 Uhr
Sonnabend/Sonntag 11-18 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur - Das Journal | 07.10.2024 | 22:45 Uhr

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Installationskunst

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