Kunsthalle Emden: Mit umsichtiger Planung durch die Pandemie
Ilka Erdwiens kommt gerade aus einem Meeting mit dem Führungsteam der Kunsthalle Emden. Entsprechend frisch ist die Nachricht, die sie zu verkünden hat: "Wir haben gerade eben beschlossen, unsere für den Winter geplante Ausstellung 'Mythos Wald' auf den kommenden Sommer zu verschieben." Auch wenn man zwar nicht mit einem weiteren Lockdown rechne, schaue man als Museum doch mit bangem Herzen Richtung Herbst und Winter, erläutert die Pressesprecherin.
Seitdem die Kunsthalle am 11. Juni wieder öffnen durfte, laufe es gut. Die Kunsthalle profitiere eindeutig von der Ferienregion Ostfriesland und der Tatsache, dass in diesem Jahr besonders viele Menschen Urlaub in Deutschland machen wollen. Trotzdem ist die Perspektive für das Haus unsicher. Wenn sich potenzielle Besucherinnen und Besucher wieder vorab testen lassen oder im Internet einen Termin vereinbaren müssen, schrecke das ab, gibt Erdwiens zu bedenken. Daher habe man bei der geplanten Ausstellung zum Mythos Wald kein Risiko eingehen wollen und nun eben Nägel mit Köpfen gemacht: "Das ist für uns so ein starkes und großes Thema, da wollen wir nicht in so eine unsichere Zeit hinein planen."
Kunst in Pandemie-Zeiten: Planung ist alles
Schon während der gesamten Corona-Pandemie habe man in der Kunsthalle immer zwischen verantwortlichem Handeln, aber auch dem Wusch, die eigenen Ausstellungen und Projekte möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, abwägen müssen, erläutert Erdwiens. Das sei dem gesamten Team gut gelungen, findet sie - ein Vorteil des eher kleinen Hauses, das es viel einfacher als große Einrichtungen habe, auch spontan auf die äußeren Umstände zu reagieren. Die wissenschaftliche Leiterin der Kunsthalle, Lisa Felicitas Mattheis, habe sehr vorausschauend geplant und beispielsweise bei der Konzeption der aktuellen Ausstellungen internationale Leihgaben vermieden.
Mattheis habe sehr intensiv recherchiert, welche relevanten Positionen sie aus deutschen Beständen bekommen kann und darauf geachtet, möglichst gleich mehrere Werke aus der gleichen Sammlung zu leihen, um die Zahl der Transporte zu minimieren. Außerdem habe sie gleich im Vorfeld mit den jeweiligen Leihgebern besprochen, ob die Werke anschließend woanders erwartet werden oder nicht. "Sie hat das 'was machen wir wenn …' einfach von vornherein mitgedacht", fasst Ilka Erdwiens zusammen. Davon profitiere die Kunsthalle Emden nun bei ihrer Planung enorm. Natürlich hoffe man trotzdem darauf, sich in Zukunft auch wieder problemlos mit internationalen Leihgaben schmücken zu können. Wie kompliziert Speditionsprozesse plötzlich werden können, hat das Team zuletzt beim Brexit erlebt. Mit diesen besonderen Herausforderungen in Sachen Planung würden alle Museen in der Corona-Pandemie noch eine ganze Weile zu tun haben, meint Erdwiens.
35 Jahre Kunsthalle Emden: Dynamische Entwicklung
In ihren bald 35 Jahren des Bestehens hat die Kunsthalle Emden eine dynamische Entwicklung durchlaufen. Zunächst war das Haus für die private Sammlung von Henry Nannen gedacht. Nannen hatte nicht nur die entsprechende Stiftung gegründet, sondern auch die Finanzierung bewerkstelligt. Über die Jahrzehnte kamen mehrere Umbauten und Erweiterungen dazu, auch die Sammlung ist durch viele Spenden, Schenkungen und Zustiftungen immer größer geworden. Der Förderverein mit über 1.000 Mitgliedern schafft regelmäßig neue Werke an. Und auch inhaltlich hat sich die Kunsthalle stark weiterentwickelt. Die große Mission des Hauses sei es, die Leidenschaft für die Kunst zu vermitteln. Egal welches Alter die Besucherinnen und Besucher haben oder ob sie mit oder ohne Vorwissen kommen. Ans Haus ist die größte Malschule des Landes Niedersachsen angeschlossen, in den Werkstätten ist von Siebdruck bis Bildhauerei alles im Angebot. Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gehören kleine Kinder ebenso wie Bewohner aus Altersheimen, die sich per Zoom-Meeting zuschalten.
Die Ausstellungsprogrammatik orientiert sich am eigenen Bestand. Wobei sich die Sammlung immer wieder mit neuen und spannenden Perspektiven befasst - zum Beispiel dem "kolonialen Blick", der sich als großes Thema in der gesamten Kunstszene zurzeit aufdrängt. Fotografie und Video sind als neue Darstellungsformen hinzu gekommen. Dass das Gesamtpaket stimmt, zeigt die enorm positive Resonanz aus Hannover und Berlin: Die Kunsthalle Emden gilt als kultureller Leuchtturm, mit Strahlkraft weit über die Region hinaus. Pressesprecherin Erdwiens sieht Emden dabei nicht in Konkurrenz zu anderen Häusern. Für sie sei alles, was den Norden in Sachen Kultur und Kunst stark macht, eine Bereicherung: "Das arbeitet füreinander."
Überregionale Signalwirkung
Dass im äußersten Nordwesten der Republik, umgeben von Wasser, plattem Land und Kühen, so ein Programm geboten werde, sorge bei vielen externen Besucherinnen und Besucher immer wieder für Verwunderung, berichtet Erdwiens. Doch genau das sei auch der Anspruch des Hauses, mit tollen Projekten und großer Strahlkraft im Austausch mit anderen Kulturpartnern und internationaler Zusammenarbeit viele Menschen neugierig auf das Haus zu machen und in die Museen zu locken.
Und auch die Zukunft bleibt spannend, denn in Emden steht ein riesiges Umbauprojekt an. Dafür hat die Kunsthalle einen Zuschuss von insgesamt 30 Millionen Euro aus Berlin bekommen. Das Ziel des Zukunftsprojekts: Das Haus soll nachhaltig werden, ressourcenschonend arbeiten und somit ein ganz modernes Museum werden. Zum Beispiel wird die komplette Haustechnik überarbeitet, um den Energieverbrauch zu drosseln. Nachhaltigkeit werde neben den Ausstellungskonzeptionen das bestimmende Thema der kommenden Jahre werden, ist sich Erdwiens sicher. Stellschrauben gebe es für Museen schließlich viele, um nachhaltiger zu werden. Das geht etwa damit los, Reisen zu vermeiden - von Gästen, Mitarbeitern und Kunstwerken. Auch der Umbau dürfte wieder ein Pilotprojekt mit überregionaler Signalwirkung werden. Es ist also viel los in der Kunsthalle Emden.