Hochwasser, Brand, Sturm: Wie Kulturgüter im Notfall retten?
Vor rund drei Wochen lief Wasser in das Magazin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Unersetzbare Kulturgüter gerieten in Gefahr. Wie können sich Kultureinrichtungen auf Katastrophenfälle vorbereiten? In Oldenburg haben sich Museen, Archive und Bibliotheken zu einem Notfallverbund zusammengetan.
Vorsichtig hebt Ursula Warnke einen flachen Holzkasten mit Glasdeckel aus einem Schrank im Archiv im Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg. Darin sind große und kleine Käfer auf Nadeln aufgespießt - keine gewöhnlichen Käfer, sondern sogenanntes Typusmaterial, erklärt die Direktorin. An den Tieren sei erstmals die Art bestimmt worden. Das mache sie zu wichtigen Originalen für die Forschung.
"Die sind sehr, sehr wertvoll. Das Gute ist, dass hier mehrere zusammen in einen relativ kleinen Insektenkasten passen und der Kasten ist auch noch besonders hergestellt. Der ist so dicht, dass da keine Fraßinsekten zum Beispiel reingehen", sagt die Direktorin und weil die wichtigsten Insekten jetzt in wenigen Kästen sind, könne das "Typusmaterial" im Katastrophenfall schnell gerettet werden.
Notfallverbund Oldenburg für Erste Hilfe
Vieles im Landesmuseum sei nicht ersetzbar. Deshalb hat die Direktorin vor einem Jahr den Notfallverbund Oldenburg ins Leben gerufen. Zehn Museen, Archive und Bibliotheken in Oldenburg haben sich zusammengetan - für die Erste Hilfe im Notfall. "Ganz, ganz wichtig ist der sofortige, schnelle Einsatz für das Kulturgut. Sie müssen sich vorstellen, wertvolle Handschriften, die zum Beispiel durch Löschwasser oder einen Wasserrohrbruch nass geworden sind, sollten jetzt nicht mehrere Tage liegen, bis jemand kommt und diese Dinge restauratorisch betreut, sondern die müssen idealerweise eingetütet und dann ganz schnell eingefroren werden." Dazu brauche es das Know-How von Restauratorinnen. In den verschiedenen Museen und Archiven gibt es die. Im Notfall arbeiten sie zusammen. Außerdem hat jedes der Häuser Ansprechpersonen benannt und ermittelt gerade besonders wertvolle Stücke, die im Notfall zuerst gerettet werden sollen.
Rasteder Chronik aus dem 12. Jahrhundert
Gegenüber des Landesmuseums im Landesarchiv blättert Kerstin Rahn in einem handgeschriebenen und von Hand colorierten Buch mit einem Einband aus Seehundfell. Ein besonders schützenswertes Buch, sagt die Archivleiterin und dafür gibt es Kriterien. "Dass es ein historischer Band ist mit nahezu einmaligem Charakter. Es handelt sich um einen Band, der im 12. Jahrhundert angelegt wurde, die sogenannte 'Rasteder Chronik', auf Pergament." Andere Werke sind bei Rechtsfragen relevant oder werden oft nachgefragt. Dadurch bekommen sie im Notfall Vorrang.
Sie werden in Metallschränken gelagert, oder in Metallkästen, die zwei Personen wegtragen können. Auf dem Boden im Magazin des Landesarchivs steht ein Notfallkasten mit Scheren, Gummistiefeln, Plastikplanen und darauf mehrere lange große Säcke, die bei einer Überschwemmung an den Türen das Wasser aufhalten können.
Vorteile des Notfallverbundes
Das Archiv hat bereits seit Jahren eigene Notfallpläne, sagt Kerstin Rahn, aber durch den Verbund können die Museen und Archive sich leichter gegenseitig helfen. In gemeinsamen Treffen lassen sich die Mitglieder von Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz beraten. Die einzelnen Einrichtungen stellen Listen auf, wer im Notfall alarmiert werden soll und halten diese auf dem aktuellen Stadt. Der Verbund wirbt gerade Mittel ein für Materialien, wie ein Notstromaggregat oder Wassersperren. Wenn das Material da ist, will der Verbund sich zu einer gemeinsamen Notfallübung treffen, sagt Rahn.
Gründung des Verbundes lange überfällig
Die Gründung eines Notfallverbundes war lange überfällig, sagt Ursula Warnke, aber der Prozess sei jetzt ins Rollen gekommen und das mache sie froh. "Unendlich froh, also das beruhigt mich wirklich sehr", betont die Direktorin. "Wir tragen Verantwortung für das Kulturgut. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch, wenn jetzt noch ganz viel zu tun ist, haben wir ja schon eine Struktur, die dann helfend eingreift und das ist das Wichtige. Das macht mich sehr, sehr glücklich."