Odoardo Fialetti, Radierer "Schüler beim Zeichnen" 1608 © Kunsthalle Hamburg
Odoardo Fialetti, Radierer "Schüler beim Zeichnen" 1608 © Kunsthalle Hamburg
Odoardo Fialetti, Radierer "Schüler beim Zeichnen" 1608 © Kunsthalle Hamburg
AUDIO: Hamburger Kunsthalle: Akte, Antike, Anatomie. Zeichnend die Welt erschließen (4 Min)

Sinnlich und mitreißend: Kunsthalle zeigt "Akte, Antike, Anatomie"

Stand: 08.11.2024 08:09 Uhr

Das Zeichnen als Technik der Welterschließung und Wissensvermittlung steht im Fokus der Ausstellung "Akte, Antike, Anatomie". Die Hamburger Kunsthalle hat sie mit der Uni Hamburg und der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg entwickelt.

von Annette Schneider

Der Mensch und die Welt sind eine Schöpfung Gottes? Um 1400 begannen einige humanistisch Gelehrte, Künstler und Laien das in Frage zu stellen. Zudem haben sie mit dem Zeichenstift in der Hand begonnen, sich die Welt rational anzueignen. Großartige Beispiele führen das in der Kunsthalle und der Staatsbibliothek vor Augen.

Da gibt es feinste, naturgetreu gezeichnete Pflanzen- und Tierdarstellungen, Skizzen menschlicher Hände, Augen und Münder, Kopien antiker Statuen, Anatomiezeichnungen - und eine mathematische Proportionslehre von Albrecht Dürer. "Es geht uns um die Technik des Zeichnens und zwar unter dem Aspekt der Welterschließung", erklärt die Kunstwissenschaftlerin Iris Wenderholm, die das Doppel-Projekt initiierte. "Das hört sich erst einmal sehr groß an, aber wir meinen das durchaus ernst: Zeichnen ist, wie wahrscheinlich keine andere Technik, die wir so kennen, geeignet, die Wirklichkeit einzufangen, zu fixieren, zu dokumentieren und auch weiterzugeben."

Ausgangspunkt der Ausstellung: Ein altes, schlecht gebundenes Zeichenbuch

Während die Kunsthalle Arbeiten zeigt, in denen Künstler die neuen Erkenntnisse in Kunst umsetzen, untersucht die Ausstellung in der Staatsbibliothek, wie sich das neue Wissen damals verbreitete. Ausgangspunkt bildet ein altes, schlecht gebundenes Buch mit Anatomie-, Antike- und Naturzeichnungen, das aufgeschlagen mitten im Ausstellungssaal auf einem hohen Podest liegt und prächtige Zeichnungen eines Papageien und eines Wiedehopfs präsentiert.

"Wir haben lange gerätselt, was es denn ist, was hier zusammengestellt und zusammengebunden ist", sagt die Kunstwissenschaftlerin. "Wir haben dann beschlossen - und ich habe das dann auch durchgeführt in drei Semestern - dieses Zeichenbuch mit meinen Studierenden wirklich anzuschauen und zu erschließen." Gemeinsam fanden sie heraus: Die Zeichnungen entstanden zwischen 1685 und 1687 und stammen von einem Joachim Ezhekiel Lewezow. Anhand seltener, illustrierter Bücher und Handzeichnungen zeigen die Studierenden, woher er sein Wissen hatte.

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"Akte, Antike, Anatomie": Ungewöhnliches Ausstellungsprojekt

Da liegt zum Beispiel ein prächtiger Atlas von 1643, der das geografische Wissen seiner Zeit versammelt. Eine Weltkarte daraus findet sich auch in Lewezows Zeichenbuch. "Dieses Buch ist so etwas wie ein visuelles Kompendium, ein Wissensspeicher für ihn gewesen. Er war sehr neugierig. Er hatte vermutlich Zugang zu unterschiedlichen Arten von Bibliotheken, oder zu Stiftsbibliotheken, am Hofe vielleicht, vielleicht auch zu einer Kunst- und Wunderkammer, wo er Kupferstiche einsehen konnte." Oder Kopien antiker Skulpturen. In der Ausstellung steht eine des berühmten, mit übereinandergeschlagenem Bein auf einem Felsen hockenden "Dornausziehers".

Mehrere Zeichnungen belegen: Seit dem 15. Jahrhundert wurde die Statue immer wieder kopiert, so das Schönheitsideal der Antike festgeschrieben und verbreitet. Der wissbegierige Blick des "neuen" Menschen drang immer tiefer vor - bis unter die menschliche Haut, zu Muskelsträngen und Nervenfasern. "Wir haben das große Glück, dass wir hier auch ein Werk haben, was tatsächlich revolutionär ist", erzählt Iris Wenderholm. "Und zwar von Andreas Vesalius: "De humani corpus fabrica" von 1543. Er hat als erster das aus der Antike bekannte Wissen von Galen hinterfragt und an seinen Sektionen überprüft. Deshalb ist dieses Werk so wichtig, weil hier eben Wissen, und zwar neues Wissen, fixiert wird. Das gleiche gilt für das ungewöhnliche Ausstellungsprojekt, dass so sinnlich-mitreißend vorführt: Ohne Wissenschaft und Forschung gibt es keine neuen Erkenntnisse. Weder früher. Noch heute.

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Die Hamburger Kunsthalle stellt das Zeichnen als Mittel zur Welterschließung in den Fokus einer Ausstellung.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Kunsthalle Hamburg
Glockengießerwall 5
20095 Hamburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 08.11.2024 | 14:40 Uhr

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