Organische Formen treffen auf leuchtende Farben und Textilien
Die norwegische Künstlerin Hanne Friis zählt zu den einflussreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen ihres Landes. Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe sind ihre Arbeiten nun erstmals in Deutschland zu sehen.
Seit vielen Jahren entwickelt sie aus ungewöhnlichen Materialien faszinierende, abstrakte Skulpturen, die sich fürs staunende Publikum als inhaltlich ausgesprochen vielschichtig erweisen. Meterlange organische Formen wuchern aus dem Boden und den Wänden: Ihre Wülste und Ausstülpungen scheinen in den Raum zu drängen, als würden sie leben und sich ausbreiten wollen. Sie schimmern in warmem, verführerischen alt-rosa-Tönen, in bläulichem Grau und süffig-dunklem Lila. Tritt man an sie heran erkennt man, dass sie aus Tausenden winzigen Falten geformt sind. "Sie bestehen aus Stoffen, die ich mit Flechten und Pilzen gefärbt und im Wald gesammelt habe", erklärt die Künstlerin. "Dann nähe ich in einer bestimmten Stich-Technik, die ich im Laufe der Jahre entwickelt habe, die Skulpturen. Es ist also alles mit der Hand gemacht - mit einer kleinen Nadel und einem Nylonfaden."
"Soft Sculptures" nennt Hanne Friis ihre faszinierenden Skulpturen aus Samt und Seide, mit denen sie die Vorstellung von Skulptur als etwas Hartem, Feststehendem und Unveränderlichem unterläuft. 1972 in Oslo geboren, studierte sie Malerei und Bildhauerei, und entwickelte früh ihre ganz eigenen Vorstellungen. "Mein Bildhauer-Material ist Stoff. Ich forme ihn in sehr kompakte Formen - er ist meine Art von Ton."
Stoff erinnert an menschlichen Körper
Je länger man ihre Arbeiten betrachtet, desto mehr Bedeutungsebenen eröffnen sich: Die wuchernden Stoff-Formen in einer Farbskala von Dunkel zu hell etwa scheinen auf poetische Weise Zeit zu spiegeln, Werden und Vergehen. Andere Arbeiten schockieren und verstören: Drei dunkelrote, in sich gewundene Skulpturen etwa, die wie geschundene Körper an langen Seilen von der Decke hängen. Folter. Krieg. Tod. Das ganze kaputte Heute springt einen an. "Ich mag die Flexibilität des Materials, die sehr an den menschlichen Körper erinnert. Irgendwie sind alle diese Skulpturen menschliche Körper, in denen es darum geht, dass wir lebende Wesen sind und sterben werden. Es geht um die unterschiedlichen Gesichter von Leben und Tod. Ich denke, dass sind sehr existenzielle Fragen."
Eine ganze Werkgruppe besteht aus Industriematerialien wie Plastik, Latex und Kunstleder, die für Umweltzerstörung und den Rohstoffraub unserer Zeit stehen. Hanne Friis formt und faltet sie, um sie dann Zentimeter für Zentimeter mit Nadel und Faden zu fixieren. Ende der 1990er-Jahre entstand ein knallgelbes, zwei Meter breites Gebilde aus dem Plastik für Schutzkleidung von Straßen- und Transportarbeitern, mit dem die junge Künstlerin lautstark Aufmerksamkeit für ihre Arbeit einforderte, die damals noch als "Textilkunst" belächelt wurde.
Kunstwerke von Hanne Friis drehen sich fast immer um Menschen
Heute gilt Hanne Friis als innovative, wegweisende Künstlerin Norwegens. Das liegt wohl vor allem daran, dass ihre Arbeiten sich trotz abstrakter Formen fast immer um den Menschen drehen. So wie die 1,50 Meter hohe, rahmenartige Skulptur, die von der Decke hängt und wirkt, als bestünde sie aus zäh fließenden Altöl-Placken. Sie entfaltet eine so beunruhigende Wirkung, dass man lieber Abstand hält. "Sie entstand während der Covid-Pandemie, wo wir überall diese Gummihandschuhe und Masken hatten. Und ich wollte mit diesem unangenehmen Material arbeiten, dass man nicht anfassen wollte. Ich schätze sehr, dass meine Arbeiten vielschichtig interpretierbar sind, aber gleichzeitig habe ich sehr klare Vorstellungen, warum ich welches Material verwende."
Tatsächlich besteht die Arbeit "Black Circle" aus hochgiftigem Material. Damit gelingt es Hanne Friis, in einer abstrakten Skulptur auf verstörende Weise zu verdichten, was wir während der Pandemie gegen alle menschliche Regung sehr schnell lernen mussten: Die unser Überleben sichernde Erkenntnis, nichts und niemanden vorschnell zu berühren.
Organische Formen treffen auf leuchtende Farben und Textilien
Im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg stellt die norwegische Textilkünstlerin Hanne Friis zum ersten Mal in Deutschland aus.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg - Telefon:
- +49 (0)40 428134-880
- E-Mail:
- service@mkg-hamburg.de
- Öffnungszeiten:
- Montag: geschlossen
Dienstag - Sonntag: 10 - 18 Uhr
Donnerstag: 10 - 21 Uhr