"L'Apotheque": Museum für Sexspielzeug muss ausziehen
Viele Jahrzehnte war das "L'Apotheque" eine richtige Apotheke, vor einiger Zeit wurde es zum Museum für Sexspielzeug. Nun ist dort Schluss. Grund: Die Pacht für die Ladenfläche läuft aus - wegen eines Formfehlers.
Betreiberin Anna Genger hat es nicht mehr ausgehalten. In einem Facebook-Video macht sie vor einigen Tagen ihren Emotionen Luft.
"55 Jahre hat meine Familie dieses Geschäft gehabt. Fünf Jahre meines Lebens mit Blut, Schweiß und Tränen durch Corona hindurch - durch diesen ganzen Scheiß hab ich das durchgeboxt. Wie soll ich meiner Mutter erklären, dass ich hier alles verloren hab?" Anna Genger auf Facebook
Heute ist sie gefasster. Sie öffnet die Tür im Kleid mit Leopardenmuster. Begrüßt mit einem sehr festen Händedruck. Sie stellt ihren Hund und ihre beiden Katzen vor: Die Katzen wohnen in "L'Apotheque". Sie und das ganze Museum müssen nun Ende Januar ausziehen.
"L'Apotheque": Von der Apotheke zum Sexmuseum
"Ich hätte bis zum 31. Juli 2023 auf Pachtverlängerung optionieren müssen - und das auch schriftlich," erklärt Genger. "Was mir nicht klar war, wenn diese schriftliche Anfrage ausbleibt, dass dann automatisch dieser Vertrag ausläuft - egal, wie ich mich danach positioniere, egal, was die Umstände sind." Das Gespräch mit dem Vermieter habe sie gesucht, ohne Ergebnis. Auf Anfrage von NDR 90,3 gab es zunächst keine Reaktion vom Vermieter.
"L'Apotheque" war früher wirklich eine Apotheke. "Meine Mutter Regis Genger war hier die letzte amtierende Apothekerin, die das Geschäft 49 Jahre lang geführt hat. Ich bin ihre Tochter, ich bin hier geboren, und habe 2018 übernommen." Mit anderem Konzept. Rund 60 "Massagegeräte" aus verschiedenen Zeiten und Teilen der Welt werden hier ausgestellt. Massagegeräte, andere sagen Dildos dazu. Sie liegen umgeben vom alten Apothekenmobiliar, dunkles Holz. Es ist zugleich urig und verrucht. Hier atmet alles St. Pauli.
Trotz großer Investition keine Zukunft
Anne Genger sieht ein, dass sie sich alles eingebrockt hat: "Juristisch ist das nicht angreifbar. Aber moralisch kann man natürlich in den Raum stellen, warum macht man das? Es wird hier nicht nur meine Existenz ruiniert, sondern unsere Firma muss liquidiert werden. Das Museum hat keinen Ort mehr. Ich weiß wirklich nicht, privat wie beruflich, wie es jetzt weitergehen soll."
Denn Anna Genger und ihre Geschäftspartnerin haben hier auch viel Geld investiert: Für 35.000 Euro sei gerade ein neues Badezimmer eingebaut worden. Insgesamt 100.000 Euro hätten sie über die Jahre hier in die Hand genommen: "Wir haben kernsaniert, teilweise natürlich auch mit der Hilfe des Vermieters. Wände verputzen, streichen, den vorderen Keller habe ich selber sanieren lassen. Kann sich jeder ausrechnen, wir haben über 165 Quadratmeter Wände verputzt. Die Decken neu gemacht. Ich hab meine Lebensversicherung damals liquidiert, um das hier möglich zu machen."
Keine Hoffnung für Familienvermächtnis
"L'Apotheque" ist ein wesentlicher Bestandteil von Kieztouren, die Anne Genger anbietet. Ihr Geschäftsmodell ohne die historische Apotheke? Funktioniert nicht: "Wir sind durchgebucht bis Sommer 2024. Wir müssen jetzt Rückzahlungen machen. Wir müssen die Leute darüber informieren. Wir haben Jungesellinnenabschiede, die abgesagt werden müssen. Wir sind keine Arztpraxis, die mal eben umziehen kann. Für uns ist das ein Genickschuss, ein Todesurteil."
Anna Genger ist Künstlerin, für sie persönlich werde es schon irgendwie weitergehen, für das Vermächtnis ihrer Familie hat sie keine Hoffnung mehr.