"L'apotheque" - ein Museum für den Umgang mit der Lust
Künstlerin Anna Genger will mit ihrem privaten Museum "L'apotheque" für einen positiven Umgang mit Sexualität und Lust werben.
Dunkle Holzregale mit vielen Schubladen bis unter die Decke treffen auf jahrhundertealte Glasgefäße in unterschiedlichen Formen und Farben. In einer denkmalgeschützen Apotheke von 1799 hat Anna Genger Deutschlands erstes Museum für historisches Sexspielzeug eingerichtet. Die Exponate hat die Künstlerin auf den massiven Regalen und dunklen Marmor-Ablageflächen ansprechend drapiert. Gleich neben dem Eingang hängen einige metallische Geräte an durchsichtigen Fäden.
"Die hier sind von 1920", erklärt Genger und fügt hinzu: "Das sind Punkt-Vibratoren, die man als solche heute gar nicht mehr erkennt, wenn wir hier Besucher haben, dann denken sie immer, sie gucken sich einen Föhn an. Einen Föhn - statt mit Puste- mit Saugaufsätzen. Und dann muss man natürlich auch dazu sagen, dass das keine Geräte waren, die damals explizit für Sexualität genutzt werden sollten, sondern um Muskelverspannung zu lösen."
Sexspielzeuge aus Japan und der DDR
Die Exponate zeugen nicht nur von der Kreativität, mit der Sexspielzeuge seit eh und je entwickelt wurden: so wie etwa eine Weinflasche mit besonders langem Hals aus der DDR, die aus Ermangelung an Alternativen hergestellt wurde - oder handgeflochtene, japanische Exponate aus Naturwurzeln. Sie zeigen auch eine ästhetische und fast künstlerische Seite des Sujets.
"Es geht eben überhaupt nicht darum, anzüglich zu sein, es geht darum einen offenen Umgang mit Körperlichkeit zu etablieren", sagt Genger und ergänzt: "Eine Hürde ist eben auch, dass man das hier sehr simplifiziert 'Dildo-Museum' nennt - und diese Schenkelklopferei nicht ganz aus dem Weg zu räumen ist. Ich sage dann immer - mit 'nem Augenzwinkern - dass wir hier einen Bildungsauftrag haben, der angelehnt ist an den der Deichtorhallen oder der Kunsthalle. "
Endlich raus aus der Schmuddelecke
Anna Genger ist praktisch in der Apotheke aufgewachsen. Ihre Mutter hat sie bis zu ihrem 83. Lebensjahr geführt und wohnt nach wie vor über dem Museum. Danach hat sich die freiberufliche Künstlerin ein Konzept überlegt, um die gepachteten Räumlichkeiten mit neuem Leben zu füllen. Körperliche Gesundheit, Apotheke, Sexualität - für sie eine natürliche Verbindung. Die Unternehmerin gibt zu Bedenken, dass wenig darüber bekannt sei, welchen Beitrag die sogenannte "Sex-Tech"-Industrie allgemein zur Gesundheit leiste: zum Beispiel mit Forschung in den Bereichen Unfruchtbarkeit, Erektionsstörungen und zu den Wechseljahren. Dennoch komme die Branche aus der Schmuddelecke nicht heraus. "Dass solche Firmen Schwierigkeiten haben gefördert zu werden oder dass Investoren zurückschrecken oder Investoren nicht in die Öffentlichkeit treten wollen, wie sie ein Stigma befürchten. Und dass das 2021 noch so ein Thema ist, ist traurig", bilanziert Genger.
Lesungen und Konferenzen in der Planung
Teil ihres bildungsorientierten Konzepts sind daher Seminare und Workshops: mit Sexualtherapeuten, Sexworkerinnen oder Yogalehrern. Eine Kooperation besteht bereits mit dem feministischen Hamburger Sexshop "Fuck Yeah". In einem Online-Vortrag gibt Gründerin Zarah Henschen Einblicke in die historische Entwicklung von feministischen Sexshops.
"Was sie anders machen ist, dass sie sich anders mit den Geschlechterverhältnissen beschäftigen und dass sich das im Warensortiment und der Präsentation wiederspiegelt", sagt Henschen. "Also: Wie sind Waren zugänglich, wie wird Beratung angeboten - mit was für Bildern und Wörtern werden die vermarketet - was für Geschlechterrollenbilder transportiert man durch so etwas auch."
Anna Genger hofft darauf, dass in den historischen Räumlichkeiten bald auch Lesungen, Ausstellungen und Konferenzen stattfinden können. Sodass mitten in Hamburgs vermeintlichem Schmuddelviertel St. Pauli ein Ort entsteht, an dem die Themen Sexspielzeuge und Sexualität weiter aus der Schmuddelecke herausgeholt werden.