Kunst-Ausstellung "1923" in Hamburg: Alles kaputt, alles unklar
Der Hamburger Verein Freunde der Kunsthalle wird 100 Jahre alt - und blickt mit der Ausstellung "1923: Gesichter einer Zeit" zurück. Die Schau zeigt, was Kunstschaffende im Krisenjahr der Weimarer Republik bewegte.
Eine junge Frau mit kurzen Haaren, die Hände forsch in die Hüften gestemmt, blickt den Betrachter herausfordernd an. Max Beckmann malte dieses Sinnbild der "Neuen Frau" 1923, nur fünf Jahre nachdem sich die Frauen in der Novemberrevolution das Wahlrecht erkämpft hatten. Karl Kluth zeigt 1923 einen schmalen, jungen Mann, der angesichts von Inflation, Massenelend und Hunger zusammengekrümmt und hoffnungslos auf einem Stuhl hockt. Und Willi Baumeister entwickelte damals abstrakte Formen- und Figurengebilde aus bemalten Spanplatten.
Schau "1923: Gesichter einer Zeit" zeigt Krise und Aufbruch
Diese Formenvielfalt erklärt Kuratorin Juliane Au so: "Es ist alles kaputt, unklar. Es gibt keine Stabilität. Der Erste Weltkrieg hat schon Strukturen zerstört. Dann kommt die Novemberrevolution, das Kaiserreich existiert nicht mehr, man hat plötzlich eine Demokratie - man weiß gar nicht: Was ist das? Was kann das? Muss ich vielleicht auch? Kann ich vielleicht auch?"
Viele Künstlerinnen und Künstler beantworteten diese Fragen nach der Mitgestaltung für eine neue, sozial gerechte Gesellschaft mit Ja. Zwei Säle versammeln Grafiken, Gemälde und Skulpturen. Weitere hängen in der ständigen Sammlung der klassischen Moderne. Da sieht man Bauhaus-Künstler, die aus eckigen Formen eine neue Welt gestalten. Paul Klee symbolisiert die Unsicherheit der Zeit in dem Bild eines Seiltänzers. Käthe Kollwitz, George Grosz oder Conrad Felixmüller schließen sich der revolutionären Arbeiterbewegung und der KPD an, ergreifen in ihrer Kunst Partei für eine gerechte Gesellschaft.
Otto Dix, Käthe Kollwitz und George Grosz im Einsatz für Gerechtigkeit
"Zu dem Zeitpunkt hatte man einfach das Gefühl: Das sind keine Ideen, die man vielleicht irgendwann in 50 Jahren durchsetzt", so die Kuratorin. "Sondern: Das kann jetzt passieren - und wir können dafür arbeiten! Und das machen diese Künstlerinnen dann auch." Otto Dix malt das Elend der Frauen, die sich aus Not prostituieren müssen. Käthe Kollwitz entwirft Plakate gegen die Hungersnot. George Grosz entlarvt mit spitzer Feder die neuen, alten Stützen der Republik, zeigt, wie es sich Adel, Bourgeoisie und Militärs schon wieder auf Kosten der Armen gut gehen lassen.
Expressionisten machen weiter wie zuvor
Gleichzeitig herrscht Aufbruchstimmung. Das Kulturleben boomt: Cafés, Sport, Kino, Theater, Musik sind nicht mehr nur für die Reichen da. Sie werden zu Massenphänomenen. Einige Künstler machen auch weiter wie vor dem Krieg: Die Expressionisten etwa malen weiter ihre farbstarken Bilder. Otto Müller idealisiert weiterhin junge Paare unter Palmen. Oder, so Juliane Au: "Lovis Corinth malt seine Tochter Wilhelmine als Flora, also als römische Göttin, was man zu diesem Zeitpunkt schon als komplett überholt ansehen kann."
Ganz anders ein großformatiges Gemälde, das ein wildes Gewusel von Männern um einen Tisch zeigt: Sie planen gerade eines der legendären Hamburger Künstlerfeste, die alle Künste vereinten und in chaotisch-wilde Gesamtkunstwerke verwandelten.
Zehn Jahre später war alles vorbei
So erlebt man in der Ausstellung eine Zeit zwischen Stillstand und Aufbruch, spürt die Dynamik der frühen Republik, ihre gesellschaftlichen Hoffnungen, Probleme und Widersprüche. Nur zehn Jahre nach 1923 war alles vorbei: Kommunistische und jüdische Künstlerinnen und Künstler wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, ihre Bilder als "entartet" verhöhnt.
Kunst-Ausstellung "1923" in Hamburg: Alles kaputt, alles unklar
Die Schau "1923: Gesichter einer Zeit" in der Hamburger Kunsthalle zeigt, was Kunstschaffende im Krisenjahr der Weimarer Republik bewegte.
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Hamburger Kunsthalle
Glockengießerwall 5
20095 Hamburg - Telefon:
- 040 428131200
- Öffnungszeiten:
- dienstags bis donntags 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen