Die Homeless Gallery des Hamburger Straßenmagazins "Hinz & Kunst". © NDR Foto: Antonia Reiff
Die Homeless Gallery des Hamburger Straßenmagazins "Hinz & Kunst". © NDR Foto: Antonia Reiff
Die Homeless Gallery des Hamburger Straßenmagazins "Hinz & Kunst". © NDR Foto: Antonia Reiff
AUDIO: Homeless Gallery - Ausstellung des Stadtmagazins "Hinz & Kunzt" (3 Min)

Homeless Gallery: Ausstellung ohne festen Wohnsitz

Stand: 21.03.2023 06:00 Uhr

30 Jahre "Hinz & Kunzt", 30 Kunstwerke und 30 Geschichten. So feiert das Hamburger Straßenmagazin sein Jubiläum mit der Homeless Gallery. In 30 Bildern zeigt diese wandernde Ausstellung mit jedem Bild die Lebensgeschichte eines Hamburger Obdachlosen. Hamburg gilt als "Hauptstadt der Wohnungslosen".

von Antonia Reiff

Allein im vergangenen Jahr sind auf Hamburgs Straßen 23 Menschen gestorben. Die Ausstellung von "Hinz & Kunzt" und der Kunsthalle möchte diese Menschen jetzt in den Fokus nehmen und hat dafür sogar Künstliche Intelligenz genutzt. An immer wechselnden Orten sind diese Kunstwerke jetzt zu sehen. Am Wochenende war die Galerie im Hamburger Volksparkstadion.

Ausstellung zeigt einzelne Schicksale der Obdachlosen

Bilder aus der Homeless Gallery des Hamburger Straßenmagazins "Hinz & Kunst". © NDR Foto: Antonia Reiff
Jens Cormann vor dem Bild "Hören ist komisch" der Homeless Gallery.

Stolz steht Jens Cormann vor seinem Bild. Es ist bunt, das war ihm wichtig und zeigt ein Gesicht im Profil. Es wirkt fast kubistisch, zusammengesetzt aus geometrischen Formen. In der Mitte unübersehbar: ein großes Ohr. "Das heißt, dass ich wieder hören kann", sagt er. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr war Jens Cormann taub. Erst nach mehreren Operationen konnte er hören. Das ist bis heute ein wichtiger Moment in seinem Leben. "Das war am Anfang richtig komisch, merkwürdig. Ich dachte erst, was höre ich da? Was ist das?"

Jens Cormann hat nach seiner Scheidung zehn Jahre auf der Straße gelebt, erzählt er. "Das Leben auf der Straße war nicht so schön. Man muss immer mit einem Auge offen, einem Auge zu schlafen. Man kann nicht richtig schlafen, weil man Angst haben muss, dass irgendwas passiert, man angezündet wird oder es Pöbelei gibt. Man muss richtig aufpassen.“

Bilder wurden mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellt

Jetzt lebt er schon fast zwei Jahre mit festem Wohnsitz im "Hinz & Kunzt" Haus und freut sich, Teil der Homeless Gallery zu sein. Seins und alle anderen 30 Bilder wurden von einer KI, also einer Künstlichen Intelligenz erstellt. Dafür wurden vorab ausführliche Interviews mit den wohnungslosen Menschen geführt. Sie durften ihre Lebensgeschichte erzählen und die KI wurde daraufhin mit den wichtigsten biografischen Begriffen gefüttert. Anschließend spuckte das Programm verschiedene Bilder aus, alle passend zur jeweiligen Lebensgeschichte. "Hinz & Künztler" Markus klärt vor Ort Besucherinnen und Besucher über dieses Kunstprojekt auf und verkauft den Katalog dazu.

Bilder aus der Homeless Gallery des Hamburger Straßenmagazins "Hinz & Kunst". © NDR Foto: Antonia Reiff
Das rote Zelt vor einer gefährlichen Brandung ist das Lieblingsbild des "Hinz & Kunzt"-Verkäufers Markus.

"Ich habe ein Lieblingsbild, das ist das Bild mit dem Zelt", sagt er. Zu sehen ist darauf ein rotes Zelt vor einer stürmischen, bedrohlichen Brandung. Der 49-jährige "Hinz & Kunzt"-Verkäufer fühlt sich davon angezogen. "Ich habe viel gelernt auf der Straße", sagt er. "In den harten Zeiten hat man mehr gelernt, als wenn man nur das gerade Leben läuft. Ich habe gelernt: Kälte kann ich gut ab, weil ich im Winter immer draußen geschlafen habe. Und ich habe auch gelernt fürs Leben zu kämpfen und zu überleben."

Die Homeless Gallery vereint Kunst und Obdachlosigkeit

Die Kunst des Überlebens wird mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu echter, klassischer Kunst. Die Homeless Gallery vereint damit zwei Welten, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben: Kunst und Obdachlosigkeit. Über QR-Codes kommt man zu der persönlichen Geschichte hinter jedem Bild. Das schafft echte Nähe und kann Vorurteile abbauen gegenüber obdachlosen Menschen. Denn sie sind es, die von sich selbst erzählen dürfen, sagt Mitorganisatorin von Hinz & Kunzt, Sibylle Arendt. "Das ist einfach etwas, was die Menschen bewegt und auch Brücken baut. Das ist eigentlich eine unserer Hauptaufgaben, dass wir Brücken bauen zwischen Menschen und das geht durch die Homeless Gallery in perfekter Weise."

Standort der Ausstellung wird spontan veröffentlicht

Passend zum Thema Obdachlosigkeit, hat auch die Galerie keinen festen Wohnsitz. Die Homeless Gallery wandert durch Hamburg und schlägt immer woanders ihr Lager auf. "Hinz & Kunzt" veröffentlicht jede Woche spontan den nächsten Standort. Dort können die Bilder dann für einen Tag kostenlos angeguckt werden und klären auf, über Obdachlosigkeit und die individuellen Geschichten dahinter.

Am Ende der Tour wird die Homeless Gallery noch in der Kunsthalle zu sehen sein, bis anschließend alle Bilder versteigert werden sollen. Der Gewinn wird an "Hinz & Kunzt" und die 30 Überlebenskünstlerinnen- und Künstler gehen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 21.03.2023 | 19:00 Uhr

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Künstliche Intelligenz (KI)

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