Hamburg: Beschädigte Gemälde von St. Jacobi werden restauriert
Es war ein Schock im letzten Juni, als ein Unbekannter in den Hamburger Hauptkirchen St. Petri und St. Jacobi Bilder gezielt beschädigt hatte. Jetzt wird in der Kirche St. Jacobi mit der Restaurierung begonnen.
Brutal sieht es aus: Stiche durch das Auge, Schnitte durch die Halspartie - Melanchthon, Luther, die beiden Reformatoren sind schwer verwundet: Es sind zwar nur rund 300 Jahre alte Gemälde auf Leinwänden, aber es sieht nach gezielten Attacken aus. "Wir haben erstmal gebraucht zu begreifen, was passiert ist. Wir waren geschockt - dass ein Mensch so etwas tut, hat uns tief berührt", sagt die Hauptpastorin von St. Jacobi, Astrid Kleist. "Kunst ist so verletzlich wie der Mensch und bedarf einer hohen Aufmerksamkeit von uns allen, darauf zu achten, dass so was nicht geschieht. "
Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, es konnte kein Beschuldigter ermittelt werden. Die gute Nachricht: Jetzt endlich, nach acht Monaten, ist Rettung für die Bilder in Sicht. Die Versicherung bezahlt die Restaurierung der beiden Gemälde. Und die Erleichterung ist der Pastorin ins Gesicht geschrieben: "Wir freuen uns, dass es endlich losgeht, und das hier im eigenen Haus so mitvollziehen zu können, ist eben auch eine Besonderheit."
Einmalige Restaurierungswerksatt in der St. Jacobi Kirche
Astrid Kleist zeigt in den mehrstöckigen Raum unterhalb des Turms von St. Jacobi, die Süderkapelle: Regale, Altarbilder, ein Kruzifix. "Es ist die sogenannte Restaurierungswerksatt, die es seit Ende der 80er-Jahre gibt. Ich würde sogar sagen, es ist weltweit die einzigartige Kooperation zwischen Denkmalschutzamt, also Kulturbehörde und Hauptkirche, in der eben in einer Kirche selbst sakrale Kunst restauriert wird."
Auf einem Arbeitstisch liegen die zwei Gemälde. Vor dem Gemälde des Melanchthon sitzt Martina Schrei an ihrem Mikroskop. Ihre Arbeit dauert nun schon zwei Wochen, erzählt sie: "Ich verklebe hier die Schnitte von den Leinwänden, und im Moment verklebe ich die originale Leinwand von vorne. Es ist auf jeden Fall aufwändig, weil wir heutzutage gerade bei der Riss- oder Schnittverschließung versuchen, wirklich jeden einzelnen Faden miteinander zu verkleben."
Behutsam wie beim Zahnarzt
Es ist Feinarbeit. Sie hält ihre Arbeitsgeräte hoch, und sofort empfindet man leichten Phantomschmerz. "Ich benutze hier zwei Zahnarztsonden, die wunderschön gebogen sind, damit kann ich eben hier unterm Mikroskop perfekt arbeiten. Man kann die so einstellen, dass ich mit der Spitze genau dahin komme, wo ich hin möchte: nämlich nur zwischen die beiden Faden-Enden."
Martina Schrei vergleicht ihre Arbeit mit der einer Zahnärztin: "Unsere Objekte sind quasi unsere Patienten, wie vom Zahnarzt. Wir haben ganz unterschiedliche Zustände und Alter vorliegen, und wir müssen unseren Patienten erstmal ordentlich und gründlich untersuchen. Wenn ich mir den Schnitt anschaue, dann kann ich da auch ein bisschen ablesen, mit wie viel Wut, mit wie viel Kraft da auch gearbeitet wurde."
Kirchen sollen und wollen offene Orte für alle bleiben
In St. Petri, wenige hundert Meter entfernt, sind die Schäden noch größer: Sieben Gemälde sind betroffen, darunter eine Weihnachtsdarstellung, wieder ein Bildnis Luthers. Hauptpastor Jens-Martin Kruse steht neben einem Bild, das Christus als Schmerzensmann zeigt. Im Brustbereich ist das Bild schwer zerkratzt, erklärt er: "Das Bild ruft immer noch in diesem Zustand Entsetzen hervor. Es schnürt einem den Hals zu, wenn man sieht, dass es Menschen gibt, die sind offensichtlich so voller Wut, Hass und Unzufriedenheit, dass sie es in dieser brutalen Weise ausagieren."
Die Restaurierung hat hier nicht einmal begonnen, denn die Versicherung übernimmt nur einen Teil der nötigen Summe, meint der Hauptpastor: "Wenn es Menschen gibt, die sagen, es ist uns wichtig, dass es hier in der Innenstadt Hamburgs eben auch diese Kunstwerke gibt, freuen wir uns natürlich über Unterstützung." Der Schaden ist immens. Aber beide Kirchen, St. Jacobi und St. Petri, sind sich einig: Sie wollen offene Orte für alle bleiben.