Tradwife Lara: "Die Erwartungshaltung hat etwas in mir getriggert"
Wo andere Frauen hin- und herhetzen - zwischen Kita und Arbeitsstelle - bleiben sie zu Hause: Sie backen, kochen und filmen sich dabei, die sogenannten Tradwives. Lara ist eine selbsternannte Tradwife und erreicht auf Instagram über 16.000 Follower.
Die traditionellen Ehefrauen sind ein wirkmächtiger Trend auf Social-Media-Portalen wie TikTok oder Instagram geworden. Die klassischen Rollenmodelle nehmen die Tradwives nicht nur in Kauf, sie entscheiden sich ganz bewusst dafür. So auch die Norddeutsche Lara. Ihr Instagram-Kanal heißt: tradwifefactory.
Lara, wie sah dein Tag bisher aus?
Lara: Mein heutiger Tag hat bisher so ausgesehen, dass ich aufgestanden bin und unsere Kleine fertig gemacht habe. Die hat noch ein bisschen gespielt, während ich meinem Mann das Brot für die Arbeit gemacht habe. Anschließend habe ich mich selbst fertig gemacht und die Kleine in die Kita gebracht. Da wollte sie heute ganz gerne hin. Jetzt bin ich zu Hause, habe das Badezimmer geputzt, den Nachtisch für das Abendessen vorbereitet, war einkaufen und habe die Wohnung durchgesaugt, weil die heute ziemlich chaotisch war vom Wochenende. Das war bis jetzt mein Tag.
Tradwife, das ist erstmal auch ein Hashtag und ein Begriff, der natürlich auch, wie du sicherlich weißt, umstritten ist. Was bedeutet das für dich?
Lara: Genau das, was es übersetzt auch heißt: traditionelle Ehefrau. Eine traditionelle Ehefrau ist eine Frau, die verheiratet ist, in den meisten Fällen Mutter ist, manchmal aber auch nicht und die sich auf alte Werte beruft. Das bedeutet natürlich auch, die traditionellen Rollenbilder zu leben. Viele sind zuhause, einige arbeiten in Teilzeit. Der Fokus liegt aber immer auf der Familie und dem Haushalt.
Wir sagen deinen vollen Namen nicht. Wir sagen auch nicht, wo du lebst. Wir wissen auch deine Telefonnummer nicht. Was hat das für einen Hintergrund? Was ist dir schon widerfahren?
Lara: Das ist keine proaktive Vorsicht. Mir ist schon einiges widerfahren, zum Beispiel, dass mir jemand immer wieder den Namen meiner Tochter geschrieben hat, "Wie geht's denn so und so?". Das war sehr bedrohlich. Oder mir hat auch jemand irgendwelche Fotos von der Gegend geschickt, wo ich wohne. Das ist sehr unheimlich gewesen. Das war eine Gruppe von Menschen, die sich wohl in einer Telegram-Gruppe zusammengetan und versucht haben, in irgendeiner Weise Infos über mich zu sammeln. Es hatte etwas von Stalking. Aufgrunddessen habe ich auch meinen Account ein paar Monate geschlossen, weil das wirklich furchtbar gruselig war. Die haben mich schon sehr unter Druck gesetzt. Mittlerweile hat das aber aufgehört, seitdem ich sehr konsequent blockiere und so etwas auch ignoriere. Seitdem ist es besser geworden. Nichtsdestotrotz bin ich, was das Private angeht, einfach sehr, sehr vorsichtig. Da möchte ich nicht, dass so viel an die Öffentlichkeit gerät. Auch, weil ich mitbekommen habe, dass es ein recht umstrittenes Thema ist.
Das ist es allerdings. Ihr habt euch entschieden, so zu leben. Das ist die eine Sache. Aber du trägst es eben auch nach außen und zwar in deinem Instagram-Channel tradwifefactory. Warum war dir das wichtig, euer Lebensmodell zu publizieren?
Lara: Das ist mir wichtig, weil mir nach der Elternzeit, als es darum ging, wieder zu arbeiten, aufgefallen ist, dass da ein gewisser Druck herrscht. Sowohl bei mir, als auch bei Frauen in meinem Umfeld. Es war die Frage: Jetzt ist die Elternzeit zu Ende - was machst du jetzt? Es stand gar nicht zur Debatte, ob man vielleicht gerne zuhause bleiben möchte. Es war so ein "jetzt gehst du aber bitte wieder arbeiten", diese Erwartungshaltung, dieses "jetzt musst du aber auch mal wieder produktiv werden", hat irgendetwas in mir getriggert. Ich habe mir gedacht, ich bin doch sehr produktiv. Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag gar nichts mache, wir haben zu tun. Und dann habe ich diesen Account gemacht und darüber gesprochen. Plötzlich ist mir aufgefallen, wie viele Frauen mir schreiben, dass sie sich das auch so sehr wünschen und dass sie dasselbe empfinden und eigentlich gar nicht arbeiten wollen. Zumindest nicht auswärts, nicht lohnarbeiten, sondern lieber zu Hause sein wollen, weil sie da im Moment ihre wichtigste Aufgabe sehen. Ich dachte mir, ich möchte dem einfach mal eine Stimme geben. Ich möchte einfach mal sagen, dass das voll okay ist.
Heute sagt man Care-Arbeit, wir können auch Haushalt und Erziehung sagen. Das ist auch Arbeit. Allerdings ist sie nicht entlohnt und man zahlt damit auch nicht in die Rentenkasse ein. Wie siehst du dieses Problem?
Lara: Ich finde es einerseits schade. Andererseits bin ich, was die Rente angeht, sehr realistisch. Ich sehe nicht, dass viele Menschen überhaupt noch eine gute Rente bekommen. Von daher sehe ich jeden Menschen in der Not, privat vorzusorgen. Ich sehe mich da nicht im Nachteil zu anderen Leuten, die vermutlich auch in einer Grundsicherung enden werden, auch wenn sie ihr Leben lang gearbeitet haben. Von daher bin ich da etwas abgeklärter.
Vorsorgen bedeutet auch, eine Ausbildung zu haben. Wie weit würdest du mit deiner Definition von Ehefrau gehen? Studieren, Doktortitel oder vielleicht nur eine Ausbildung? Wie würdest du den richtigen Weg austarieren?
Lara: Das muss jeder selbst entscheiden. Wenn eine, sagen wir mal, Anfang-20-Jährige zu mir kommt und sagt: "Ich möchte später auch Vollzeitmutter werden. Was für eine Ausbildung soll ich machen?", dann würde ich immer dazu raten, einen Beruf zu wählen, den man im Zweifel immer gut mit der Familie vereinbaren kann. Zum Beispiel Erzieherin, Lehrerin und so weiter. Also Berufe, in denen man ein Wochenende hat, Berufe, wo man Ferien hat. Da gibt es 1.000 Berufe, das Handwerk gehört auch dazu. Wo man nicht plötzlich einen riesigen Spagat machen muss. Wenn man jetzt sagt, ich möchte Tradwife werden, ich möchte Hausfrau und Mutter werden, dann könnte ich mir vorstellen, dass man das als Ärztin etwas schwerer haben könnte als zum Beispiel als Lehrerin.
In deinem Instagram-Kanal, aber auch in vielen anderen von sogenannten Tradwives, gibt's selbstgemachte Schokoladencroissants, Kuchen und Torten. Es ist manchmal fast ein bisschen wie in einem Konditorei-Blog. Kannst du verstehen, wenn dahinter immer steht "Das tue ich alles für meinen liebenden Mann", dass andere Frauen aggressiv darauf reagieren?
Lara: Ehrlich gesagt, nein. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man generell aggressiv auf das Leben von anderen reagieren sollte. Ich meine, wenn ich Vollzeit arbeite und mit meinem eigenen Leben glücklich und zufrieden bin, und der Mann ist zu Hause, ist es doch gut. Warum sollte ich aggressiv auf andere reagieren? Ich habe immer das Gefühl, Menschen, die aggressiv reagieren, die haben eher eine Unzufriedenheit bei sich selbst.
Bei Ihrem Account steht manchmal "God first", es geht auch um Bibelzitate. Wollen Sie uns ungefähr verraten, wo sie religiös angesiedelt sind?
Lara: Wir sind evangelisch evangelikal und wir sind eine christliche Familie. Wir besuchen regelmäßig den Gottesdienst. Wir versuchen, unseren Glauben möglichst gut in unseren Familienalltag zu integrieren. Ich glaube, das ist an der einen oder anderen Stelle noch ausbaufähig, weil wir beide nicht mit dem Glauben groß geworden sind. Da haben wir ein bisschen Nachholbedarf. Aber das ist natürlich ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Alltags und unseres Familienlebens.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.
