Kommentar: In Deutschland ausgebildete Imame ein richtiger Schritt
In den Moscheen hierzulande sollen in einigen Jahren keine vom türkischen Staat geschickten Imame mehr predigen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, hat die Bundesregierung mit der Türkei einen Fahrplan für eine schrittweise Beendigung der Entsendung von Imamen nach Deutschland vereinbart. Die Vereinbarung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einem "Meilenstein für die Integration und Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland". Davon kann aber erst dann die Rede sein, wenn der Einfluss der türkischen Religionsbehörde Diyanet auf den DITIB-Moscheeverband noch deutlicher reduziert wird. Denn nach wie vor hat der deutsch-türkische Moscheeverband seine Vereinsstruktur nicht dahingehend geändert, dass der mächtige Beirat keine Entscheidungsgewalt mehr hätte.
Kein totaler Kontrollverlust
Vorsitzender dieses Beirats ist nämlich der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas. Der DITIB-Beirat aber organisiert, kontrolliert und steuert die Aktivitäten von DITIB auf maßgebliche Art und Weise. Und dabei soll es vorerst bleiben. So erklärt sich vielleicht auch, weshalb die Türkei der Vereinbarung mit dem Bundesinnenministerium zustimmte: Ein totaler Kontrollverlust ist damit nämlich nicht verbunden. Kritiker des deutsch-türkischen Moscheeverbandes werden die Kooperation deshalb als trügerische Augenwischerei abtun. Aber in Bausch und Bogen verurteilen sollte man nicht, was da nun beschlossen wurde. In der Tat wird es Folgen haben, wenn vermutlich bis zum Ende des Jahrzehnts so gut wie keine türkischen Staatsbediensteten mehr in den DITIB-Moscheen predigen.
Muslimische Seelsorge und Nähe
Imame, die hierzulande ausgebildet wurden, in der konkreten Seelsorge selbstverständlich auch auf Deutsch weiterhelfen können, die im interreligiösen Dialog geschult sind, die die deutsche Geschichte auch mit ihren tiefsten Abgründen des Judenhasses und der deutschen Verbrechen am jüdischen Volk kennen: Diese Imame werden deutlich sprachfähiger sein in einer säkularen und multireligiösen Gesellschaft - und damit auch handlungsfähiger für Muslime, die zwar nicht in die Moschee gehen, aber durchaus ein seelsorgliches Angebot und Nähe zu schätzen wissen.
Auch Islamkolleg in Osnabrück bildet aus
Denn die Mehrheit der hier lebenden Musliminnen und Muslime besucht gar nicht die Moscheen, so wie die Mehrheit der hier lebenden Christinnen und Christen nicht in die Kirchen geht. Imame, die in Deutschland aufgewachsen und ausgebildet sind, können gewiss schneller und direkter Menschen in ihrem Umfeld ansprechen, weil sie deren Probleme kennen und deshalb nach glaubensstarken und zugleich lebenspraktischen Lösungen suchen können. Deshalb ist es so wichtig, dass neben der eigenen Ausbildungsstätte der DITIB in der Eifel auch das Islamkolleg Deutschland in Osnabrück Frauen und Männer für die Seelsorge in den Moscheegemeinden ausbilden soll. Denn bislang hatten die frischen Absolventen des Islamkollegs in Osnabrück kaum eine Chance in den Moscheegemeinden der DITIB.
Imame mit Knowhow in der Kommune
Grundsätzlich ist auch der Staat religionspolitisch gefordert. Nicht im Sinne einer direkten Finanzierung der neu ausgebildeten Imame. Das ist mit dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht vereinbar. Aber zum Beispiel über Stiftungsmodelle. So könnten Projekte auf kommunaler Ebene gefördert werden, in die selbstverständlich auch Imame eingebunden sind. So dass sie dann neben ihrer von der Moscheegemeinde finanzierten Tätigkeit auch in der kommunalen Gemeinde als Dozenten, Integrationslotsen oder Sozialarbeiter tätig sind und so ein angemessenes Auskommen haben. Wenn nun fest vereinbart, die Entsendung von Imamen aus der Türkei mittelfristig beendet wird, ist das ein wichtiger Schritt nach vorn. Weitere müssen aber folgen.