Trost spenden - aber wie? Hamburger Imame profitieren von interreligiöser Ausbildung
Der evangelisch-lutherische Kirchenkreisverband Hamburg fördert in Kursen das interkulturelle und interreligiöse Verständnis. Davon profitieren auch hauptamtlich Seelsorgende in islamischen Gemeinden.
Mounib Doukali ist stellvertretender Vorsitzender der Schura Hamburg und Imam der El-Iman-Moschee in Harburg. Als Seelsorger hat er nicht nur mit Muslimen zu tun: "Ich bin auch im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen unterwegs und bin da nicht nur für Muslime zuständig, sondern habe es auch mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu tun. Da erlebe ich auch, wie unterschiedlich Menschen mit Trost umgehen, wie sie getröstet werden."
Dem einen helfe ein Gebet, der andere wolle nichts von Religion hören. Die eine wolle schweigen, die andere über Gefühle sprechen, sagt Doukali: "Der Mensch steht bei dieser Situation im Mittelpunkt. Das ist das, was wir in unserem Kurs lernen, deswegen ein interkultureller, interreligiöser Seelsorgekurs. Ich habe auch für mich selbst festgestellt, dass durch diesen Kurs neue Horizonte für mich eröffnet wurden."
Denn sich vollständig auf den Trost-suchenden Menschen und seine Bedürfnisse zu konzentrieren, verlange vom Imam eine kritische Selbstwahrnehmung: "An erster Stelle: zu differenzieren zwischen meiner Rolle als Imam, der religiöse Fragen gezielt beantwortet, "ja - nein", "erlaubt - nicht erlaubt", und meiner Rolle als Seelsorger, nämlich zuzuhören, keine gezielten Antworten zu geben, sondern die Lösung in die Hand des Trostsuchenden zu legen. Darüber hinaus über die eigenen Gefühle zu sprechen, sie wahrzunehmen und umzusetzen", so Doukali.
Muslimische und christliche Theologen lernen gemeinsam
"Muslime lernen, was Seelsorge heißt: Sie sind als Imame oft gefragt für Rechtsprechung, für Rat und für die Komponente Seelsorge - also Einfühlung, Empathie einüben und gucken, was der andere braucht, ihn zu begleiten. Das kann man in unserem Kurs lernen. Und das ist das Neue", sagt Susanne Bertels, Pastoralpsychologin und Ausbilderin für Klinische Seelsorge in Hamburg-St. Georg. Die berufsbegleitende, interreligiöse Seelsorgeausbildung leitet sie gemeinsam mit Sönke Lorberg-Fehring, Pastor und Beauftragter der Nordkirche für den christlich-islamischen Dialog.
300 Arbeitseinheiten, umgerechnet sechs Wochen, absolvieren die neun Teilnehmenden, fünf muslimische und vier christliche Theologen und Theologinnen. Sönke Lorberg-Fehring betont, die Imame, Pfarrer und Pastorinnen lernten auf Augenhöhe, und die Christen lernten auch von den Muslimen: "Das Lernen und Leben in Vielfalt ist für manche Menschen in der Kirche eine echte Herausforderung. Wir kommen aus einer fast rein christlich geprägten Gesellschaft und wollen Kirche sein in einer Gesellschaft, die religionsdivers ist. Das ist für uns eine große Herausforderung und ein richtig schwieriger Weg. Ich schätze das sehr an den Menschen aus muslimischen Glaubensvollzügen, die hier mit uns lernen, dass sie uns ein Stück auf diesem Weg begleiten und sagen: Wir lernen mit euch, was es heißt, im Angesicht der anderen religiöse Hilfe zu leisten. Das können wir nur gemeinsam, im interreligiösen Austausch."
Ausflüge in die Theologie der Anderen
Seelsorgeausbildung für Muslime gibt es zwar auch in anderen Bundesländern. In Hamburg allerdings ist neu, dass Muslime und Christinnen gemeinsam lernen. Den gegenseitigen Austausch dabei, das offene Gespräch miteinander schätzt Mustafa Cetinkaya ganz besonders. Er ist Imam in der Ayasofya-Moschee in Wilhelmsburg: "Der ganze Rahmen dieser Ausbildung und dieses Austausches zwischen den anderen Teilnehmern, dieses Interreligiöse, das ist für uns etwas Neues. Die ganzen Gespräche, die wir führen, haben so einen interreligiösen Touch. Und das erweitert den Horizont, weil wir das in unserem eigenen Rahmen gar nicht haben."
Die interreligiöse Seelsorgeausbildung in Hamburg probiert die sogenannte Komparative Theologie aus. Das heißt, Ausflüge in die Theologie der Anderen zu machen, diese zu würdigen und wertzuschätzen. Eigene Grundpositionen sollen dabei nicht aufgegeben, sondern noch einmal neu wahrgenommen werden.