Hamburger Claus Günther erhält Preis für ehrenamtliches Lebenswerk
Claus Günther engagiert sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Verein ZeitZeugenBörse e.V. in Hamburg, Der 93-Jährige gilt außerdem als ältester Poetry Slammer der Stadt. Jetzt hat er den Preis für sein ehrenamtliches Lebenswerk bekommen.
Der Hamburger Claus Günther berichtet als Zeitzeuge aus erster Hand vom Nationalsozialismus. Er will erinnern und ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Deswegen erzählt er in Schulen von seinen Erfahrungen, schreibt Texte und tritt als Poetry-Slammer auf.
Preis für ehrenamtliches Lebenswerk
Auf Claus Günthers Schreibtisch steht frisch eingerahmt die Urkunde mit der Aufschrift: Ehrenamtliches Lebenswerk. Mit 93 Jahren bewegt er sich mittlerweile am Rollator und muss seine Aktivitäten etwas zurückschrauben, aber: "Ich möchte vermitteln, dass das Unrecht nie wieder passieren darf. Man soll nie irgendwelchen Scharlatanen aufsitzen, die einem sonst was vom Himmel erzählen", betont Günther. Das sei das Wichtige, das er weitergeben möchte.
Er ist Mitbegründer des Hamburger Vereins ZeitZeugenBörse e.V. - eine Gruppe von Menschen, die den Nationalsozialismus erlebt haben und an Schulen davon berichten wollen, solange sie es noch können, erzählt Günther: "Ich denke mal, es ist etwas anderes, wenn jemand das als Lehrstoff beigebracht bekommt und aus Büchern lernt, als wenn da jetzt leibhaftig einer steht, oder eine."
NS-Propaganda erstreckte sich auf alle Lebensbereiche
Claus Günther selbst ist 1931 geboren und wächst während der NS-Zeit in Hamburg-Harburg auf. Sein Vater war in der SA, er selbst in der Hitlerjugend. Er berichtet schonungslos davon, wie sich die Propaganda der Nazis auf all seine Lebensbereiche erstreckte und ihn manipulierte. Für Zweifel gab es wenig Raum, erklärt er: "Ich habe mir schon Gedanken gemacht, aber es gab auch Standardsätze: Sei nicht so neugierig. Kinder haben den Mund zu halten. Kinder haben nur zu reden, wenn sie gefragt werden."
Es gibt aber ein prägendes Ereignis, das ihn bis heute besonders bewegt: "Ich habe als Kind, mit zehn Jahren, den jüdischen Nachbarn beschimpft. Der kam nach Hause und hatte seinen gelben Judenstern mit der Aktentasche verdeckt: Da habe ich ihm ein Schimpfwort über die Straße zugerufen. Auf einmal hatte ich eine Hand im Nacken. Das war der Sohn von unserem Hauswart. Ich war zehn, er war 14 und er flüsterte mir ins Ohr: 'Das musst du nicht tun, das sind doch auch Menschen.'" Er habe sich in Grund und Boden geschämt. Aber anders als viele andere seiner Generation, möchte er sich offen seiner Schuld und seiner Scham stellen und dazu beitragen, dass so etwas nie wieder passiert. Man müsse höllisch aufpassen, dass einem nicht Unwahrheiten für wahr verkauft werden. Auch heute wieder, sagt er.
Erinnern als Lebensaufgabe
Seit 1997 engagiert er sich im Verein ZeitZeugenBörse e.V, schreibt für dessen Zeitschrift, spricht mit Schülerinnen und Schülern und tritt mit eigenen Texten bei Poetry Slams auf - auch da schreibt er gegen das Vergessen:
Kein Mitbewohner schützte dich. Angst beherrscht die Diktatur. Da denkt ein jeder nur an sich. Mitgefühl? Ha, nicht die Spur. Vor diesem Haus liegt jetzt ein Stein. Stolperstein wird er genannt. Er fügt sich in das Pflaster ein, wie die Fläche einer Hand. Zitat aus Poetry-Slam von Claus Günther
Claus Günther hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht ausgehend von seinem eigenen Erleben an den Nationalsozialismus zu erinnern und eine mahnende Stimme zu sein. "Wenn unsere Generation mal nicht mehr ist, auch dann darf das Unrecht der Nazis und der Nazizeit nie vergessen werden. Das ist mir so wichtig, mehr als alles andere."
Ein Porträt des Hamburgers Claus Günther finden Sie in der ARD Mediathek in der Reportage "Wir fühlten uns stark".