"Kinds of Kindness": Geniale Unterhaltung oder schockierende Farce?
Regisseur Yórgos Lánthimos hat schon diverse Auszeichnungen eingeheimst, unter anderem für "The Lobster" und "The Favourite". Auch sein neuer Film "Kinds of Kindness" überzeugt wieder durch eine opulente Bildsprache. In verschiedenen Episoden wird der Missbrauch von Macht ins Absurde überzeichnet.
Zu Beginn des Films erklingt "Sweet Dreams" von den Eurythmics, natürlich nicht zufällig. Denn der Songtext passt genau zum Film: "Manche Leute wollen dich benutzen, manche von dir benutzt werden; manche Leute wollen dich missbrauchen und manche von dir missbraucht werden." In den drei Episoden mit immer denselben Schauspielern in verschiedenen Rollen, geht es um Macht und Abhängigkeitsverhältnisse, bis ins Absurde überzeichnet. Willem Dafoe verkörpert den mysteriösen Raymond, der seinen Angestellten Robert, dargestellt von Jesse Plemons, rund um die Uhr kontrolliert. Raymond bestimmt Roberts Ernährung, Kleidung, die genaue Uhrzeit für seinen Sex. Für gutes Verhalten wird Robert mit Geschenken belohnt, etwa mit dem zerbeulten Helm des tödlich verunglückten Formel-1-Fahrers Ayrton Senna. Doch bei einer Sache weigert sich Robert, dem Wunsch seines Chefs nachzukommen, und wird daraufhin vom Ziehvater gnadenlos fallen gelassen. Um die Gunst seines Chefs wieder zu erlangen, geht Robert bis an seine Grenzen.
Was soll das Ganze?
Es dauert immer ein bisschen, bis man sich in den opulent ausgestatteten Szenarien und filmischen Universen von Yórgos Lánthimos zurechtfindet. Wenn man sich überhaupt je zurechtfindet. Von Verstehen ganz zu schweigen. Denn ob in einem abgeriegelten griechischen Garten oder in von merkwürdigen Mischwesen bevölkerten Sanatorien - Lánthimos‘ Filme sind schon ziemlich skurril und geheimnisvoll. Optisch immer brillant, alles, was der Mann meist mit Starbesetzung auf die Leinwand bringt, sieht meist unverschämt gut aus. Letztes Jahr bekam die Hauptdarstellerin Emma Stone für ihre Leistung in Lánthimos‘ feministischer Frankenstein-Variante "Poor Things" den Oscar. Auch im neuen Werk des griechischen Regisseurs ist die Schauspielerin mit von der Partie.
In einer Episode verschwindet sie als Meeresforscherin und kehrt als scheinbar andere Person wieder zurück, die ihrem Gatten nun auch eigens abgetrennte Körperteile serviert. Und dann sind da noch die Angehörigen einer Sekte, auf der Suche nach einer Heilsbringerin, die Tote wieder zum Leben erwecken soll. Was soll das Ganze? Zu Beginn des Filmes sagt Emma Stone: "Das ist er, der Moment der Wahrheit." Willem Dafoe hat im Interview gesagt, jeder werde seine ganz individuelle Sichtweise dieses Filmes haben. Und Yórgos Lánthimos verriet immerhin, dass er sich von Albert Camus‘ gleichnamigen Drama über den römischen Kaiser "Caligula" inspirieren ließ.
Amüsant, abstoßend oder langweilig?
Die einen mag es amüsieren, die anderen abstoßen bis langweilen. Am Ende des Films sagt Emma Stone dann - bezogen auf den anfänglichen Moment der Wahrheit: "Ist das nicht wunderbar?" Ob man "Kinds of Kindness" nun als geniale, unterhaltsame und tiefgreifende Bloßlegung von Hörigkeits- und Machtverhältnissen sieht, oder als haarsträubende, schockierende, wenngleich unterhaltsame Farce - das liegt bei diesem Film in der Tat ausschließlich im Auge des Betrachters.
Kinds of Kindness
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Vereintes Königreich/USA
- Zusatzinfo:
- Mit Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley und Hong Chau
- Regie:
- Yórgos Lánthimos
- Länge:
- 164 Minuten
- Kinostart:
- 04. Juli 2024