Kinofilm "Daddio": Schwer erträgliches Kammerspiel mit Star-Besetzung
Im Taxi durch New York mit Sean Penn und Dakota Johnson: Der Kinofilm "Daddio" bedient Klischees. Das einfältige Kammerspiel zieht sich hin wie ein 25-km-Stau zu Ferienbeginn.
Es ist schon später Abend, als eine namenlose junge Frau am New Yorker Flughafen JFK ins Taxi steigt. Sie muss in die City und hat einen dieser Fahrer erwischt, die - Kaugummi kauend - gleich mal derb über alles fluchen, sich dann über ihren harten Job beschweren und schließlich über neumodische Apps und knausrige Fahrgäste schimpfen.
Es klingeln einem schon die Ohren. Die junge Frau auf der Rückbank aber hört geduldig zu und wird vom Fahrer dafür gelobt, dass sie keine Ohr-Stöpsel trägt. Er hat ihr nämlich jede Menge zu sagen.
- Sie leben hier, oder?
- Ja.
- Ihr süßes Outfit hat Sie verraten.
- Mein süßes Outfit?
- Ja, das sagt viel über Sie aus.
- Was sagt es denn?
- Dass Sie gut allein klar kommen.
- Und woher wollen Sie das bitte wissen?
- Ist gar nicht so schwer, Menschen zu lesen. Ich mein, Sie sind ganz selbstverständlich eingestiegen, haben den nervigen Bildschirm da hinten ausgemacht, weil Sie eh schon wissen, was am Broadway läuft.
- Beeindruckend.
Filmszene: Dialog zwischen Taxifahrer und Fahrgast
Taxifahrer mit "Fachgebiet": Frauen
Sein "Fachgebiet" sind eindeutig Frauen. Ihr sehe man an, wie schlau sie sei. Wobei nicht ganz klar wird, ob das an den hell blondierten Haaren oder an den perfekt manikürten langen Fingernägeln liegt, an denen "Fifty Shades of Grey"-Star Dakota Johnson immer wieder mädchenhaft kaut. Während auf dem Schoß ihr Handy vibriert: Ziemlich eindeutige, zudringliche Text-Nachrichten, die sie verschämt wegklickt… Auch das entgeht dem aufmerksamen Fahrer nicht.
Was, muss ich jemanden für Sie in den Arsch treten?
Nein, schon okay.
Wie heißt er oder sie?
Sein Name spielt keine Rolle.
Ah, verstehe, alles klar.
Was verstehen Sie?
Klare Sache, er ist verheiratet.
Filmszene: Dialog zwischen Taxifahrer und Fahrgast
Zutexten ohne Entkommen
Irgendwann ist es zu spät, doch noch die Kopfhörer rauszuholen - da steht das Taxi an einer Unfallstelle im Stau, und Sean Penn am Steuer hat alle Zeit der Welt, die attraktive Blondine auf dem Rücksitz zuzutexten.
- Ich weiß, was abgeht! Wer 20 Jahre Taxi fährt, lernt viel über Menschen. Ich geb Ihnen einen Rat. Von einem, der schon zweimal verheiratet war und viele Affären hatte. Bereit?
- Hmhm.
- Benutzen Sie nie das Wort Liebe, okay? Benutzen Sie’s einfach nicht…
Filmszene: Dialog zwischen Taxifahrer und Fahrgast
Taxi als Ort für Lebensbeichte?
Welche junge Frau würde sich nicht bedanken für so großartige Tipps von einem - sorry, aber hier passt es wirklich - alten weißen Mann...? Es fällt etwas schwer zu glauben, dass eine RegisseurIN sich diese Konversation ausgedacht hat. Christy Hall hatte ein Fernsehformat aus den 90ern vor Augen: In "Taxicab Confessions" wurden Fahrgäste in einem New Yorker Taxi mit versteckter Kamera gefilmt, während der Fahrer ihnen intime Geständnisse entlockte. Und ja, ein Taxi KANN sicher zum Ort ganz besonderer menschlicher Begegnungen werden, weil unter dem Schutz der Anonymität mancher einem Unbekannten mehr von sich erzählen mag als eng vertrauten Menschen. Nur lädt die penetrant selbstgefällige Art des Taxifahrers in "Daddio" kaum dazu ein.
- Frauen gehen auch fremd.
- Aber aus anderen Gründen. Frauen wollen sich sexy fühlen. Sie wollen sich sexy fühlen, weil sie begehrt werden wollen. Und sie wollen begehrt werden, weil sie geliebt werden wollen.
Filmszene: Dialog zwischen Taxifahrer und Fahrgast
Mansplaining ganz neu erfunden
Am schwersten erträglich ist, wie der Kerl über seine geschiedene Frau spricht. Strohdoof sei sie gewesen, aber so fröhlich und lieb… Der Dummschwätzer hält sich selbst offenbar für eine Intelligenzbestie. Man hat schon nach einer halben Stunde die Nase gestrichen voll von seinem Gelaber - und vom andächtigen Lauschen der Passagierin, die ihren Lover allen Ernstes "Daddy" nennt! Aber Gespräch und Film ziehen sich dann noch wie ein 25-km-Stau am ersten Ferientag. Sean Penn erfindet das "Mansplaining" ganz neu in "Daddio - Eine Nacht in New York." Lässt sich nur dadurch lösen, dass man sich in dieses einfältige Taxi-Kammerspiel nicht verirrt.
Daddio - Eine Nacht in New York
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- USA
- Zusatzinfo:
- Mit Dakota Johnson, Sean Penn, Marcos A. Gonzalez und Shannon Gannon
- Regie:
- Christy Hall
- Länge:
- 101 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 27. Juni 2024