Film "Alter weißer Mann": Herzhafter Stich ins Wespennest
Die einen können selbstironisch drüber schmunzeln, die anderen fühlen sich pauschal diffamiert vom Schlagwort "alter weißer Mann". Wer also seinen Kinofilm so nennt, sticht in ein Wespennest. Regisseur Simon Verhoeven gelingt mit seinem Film ein Generationen- und Culture-Clash allererster Güte.
Definieren würde man einen "alten weißen Mann" in etwa so: Passionierter "Mansplainer", nervt Frauen mit zweifelhaften Komplimenten und will nicht einsehen, dass gängige Sprachmuster der 80er-Jahre heute oft so vorsintflutlich wirken wie die Mode von damals. So einer will Heinz Hellmich auf keinen Fall sein! Er ist Marketing-Chef der Fernfunk AG, Boomer-Generation, aber ein Mann, der mit der Zeit geht - denkt er. Bis sein neues Werbeplakat einen mittleren Hurricane von Shitstorm auslöst. Und auch zu Hause machen seine Teenie-Kids Leni und Linus keinen Hehl daraus, wie sehr sie ihn für einen Steinzeit-Papa halten.
Kurz: Jan Josef Liefers muss sich in dieser Rolle total in Frage stellen. Heinz Hellmich ist überfordert vom neuen, politisch korrekten Zeitgeist, der plötzlich auch durch seine Firma wabert.
"Bei uns in der Fernfunk, da herrscht gerade eine gewisse Nervosität. Ich meine, wo herrscht denn heute keine Nervosität? Wer hat denn heute keine Panikattacken? Krieg, Klima, Viren, Putin, Trump, China, Iran, Migration, Inflation, Rassismus, Globalismus, Islamismus. Und dann überall diese Avocado-Toasts und Hafermilch und diese Influencer, die einem sagen wollen, wie man sein Leben zu leben hat." Filmszene
Spricht da womöglich doch der verbitterte alte Mann, der sich nicht mehr zurecht findet in einer Welt, die sich nun mal weiterdreht?
Regisseur Verhoeven verhandelt gesellschaftliche Reizthemen
Regisseur Simon Verhoeven stürzt sich in seinem Drehbuch mit gespitzter Feder auf "Kampfbegriffe" und aktuelle gesellschaftliche Reizthemen - auch solche, die einem schon zu den Ohren herauskommen, wie das Lamentieren übers Gendern oder die Cancel Culture. Sein ungeschickter, aber dabei nicht völlig unsympathischer Antiheld muss fürchten, in der Firma bald durch den dynamischen KI-Anbeter oder die toughe junge Businessfrau ersetzt zu werden. Eine abendliche Essenseinladung zu sich nach Hause soll den Entscheider*innen beweisen, wie vorbildlich offen und tolerant er selbst lebt und denkt.
Alles kommt nun auf den Prüfstand: Entlarvt sich als Frauenfeind, wer nur Monet- und Picasso-Drucke an der Wand und Goethe und Karl May im Bücherregal hat? Ist es schon kulturelle Aneignung, wenn deutsche Gastgeber asiatisch kochen? Natürlich läuft beim Dinner dann alles aus dem Ruder. Ein Generationen- und Culture-Clash allererster Güte! Wobei manches zu viel, zu überspitzt, zu platt sein mag. Aber hätten andere Komödienmacher nur halb so viele Einfälle wie Simon Verhoeven! Einer seiner besten war es, die wunderbare Meltem Kaptan mit ins Boot zu holen. Wo sie auftritt, geht in jedem Film die Sonne auf! Auch Nadja Uhl als Ehefrau und Michael Maertens als schmieriger Konzernchef sind sehr unterhaltsam.
Sympathische Komödie mit versöhnlicher Botschaft
Die Pointen kommen im Sekundentakt, sodass es definitiv genug zu lachen gibt in "Alter weißer Mann". Und wenn Verhoeven seinen Film mit Themen und Gags vielleicht auch ein wenig überfrachtet hat - es gelingt ihm auf jeden Fall, eine versöhnliche Botschaft hinaus ins Land zu senden: Schluss mit der Dauer-Empörung über alles und jedes! Kommt ins Gespräch miteinander, statt euch anzugiften! Eine generationsübergreifend funktionierende, überaus sympathische Gesellschaftskomödie.
Alter weißer Mann
- Genre:
- Komödie
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- mit Jan Josef Liefers, Nadja Uhl, Friedrich von Thun und anderen
- Regie:
- Simon Verhoeven
- Länge:
- 114 Minuten
- FSK:
- ab 6 Jahren
- Kinostart:
- 31. Oktober 2024