"Das ist schön!": Wim Wenders erhält Deutsch-Französischen Medienpreis
Wim Wenders hat am Dienstagabend in Paris den Großen Deutsch-Französischen Medienpreis 2024 für sein Lebenswerk erhalten. Die feierliche Zeremonie stand im Zeichen der aktuellen Krisen und Entwicklungen in Europa.
Sibyle Veil, Generaldirektorin von Radio France und Gastgeberin der diesjährigen Preisverleihung würdigte Wim Wenders als "einen unentbehrlichen Regisseur". Wenders' vielfältiges Werk habe dazu beigetragen, die Umrisse eines europäischen Blicks auf unsere Welt zu formen. Wenders selbst betonte, die Freundschaft zwischen beiden Ländern habe ihn und sein Werk entscheidend geprägt.
Über den Schatten der Geschichte springen
"Ich erinnere mich noch, ich bin auf eigene Faust in Düsseldorf in den Zug gestiegen, um nach Bonn zu fahren, um de Gaulle und Adenauer sehen zu dürfen. Deren Handshake war für mich ein ganz großes Ereignis in meinem Leben. Dieser legendäre Händedruck der beiden hat mir auf eine wunderbare Weise gezeigt, dass man über den Schatten der Geschichte springen kann und da wollte ich dabei sein", sagte er. Auch wenn der Filmregisseur bereits viele Preise bekommen hat, sei die Verleihung des Großen Deutsch-Französischen Medienpreises für ihn eine besondere Ehre gewesen. "Da habe ich erstmal geschluckt und habe gedacht: Das ist schön!", so Wenders.
Wim Wenders hat Filmgeschichte geschrieben
Am 14. August 1945 wurde Wim Wenders in Düsseldorf geboren. Seine Künstlerbiografie kann ins Erstaunen versetzen: Mehr als 30 Kinofilme hat er seit 1967 gedreht. Mit einigen seiner Filme hat Wenders Kinogeschichte geschrieben: "Paris, Texas" zum Beispiel, "Der Himmel über Berlin", "Buena Vista Social Club" oder "Pina". Preise hat er dafür reichlich bekommen: Goldener Löwe in Venedig, Goldene Palme in Cannes, den Goldenen Ehrenbären der Berlinale und inzwischen drei Oscar-Nominierungen. Mit kindlicher Begeisterung lässt er sich immer wieder auf neue Film-Abenteuer ein.
"Perfect Days" und "Anselm": Zwei neue Filme 2023
Im Mai 2023 präsentierte Wenders gleich zwei Filme in Cannes: mit "Perfect Days" ein Drama über einen japanischen Arbeiter, der gern Bäume fotografiert, liest und Musik hört. Es lief im Herbst im Kino und war Japans Oscar-Hoffnung auf den besten internationalen Film. Außerdem hat Wenders 2023 das Künstlerporträt "Anselm" in 3D gedreht, eine Dokumentation über den deutschen Maler Anselm Kiefer.
Wim Wenders: Blick voll Neugier und Melancholie
"Paris, Texas": ein Film als Glaubensbekenntnis. Die Welt ist voller Trauer und Schmerz. Aber auch wunderschön. Und am besten in einem Roadmovie einzufangen. Wie in "Alice in den Städten". Auch hier: Ein Mann mit einem Kind unterwegs auf der Suche nach sich selbst. Der Blick auf die Welt setzt sich bei Wenders immer zusammen aus Neugier und Melancholie. "Ich habe als Traum immer nur gehabt, etwas zu finden oder zu erfinden, was ich selbst noch nicht wusste", so Wenders.
Wim Wenders stammt aus einer katholischen Familie. Ohne die Entdeckung des Rock’n’Roll wäre er möglicherweise Priester geworden. So aber verfiel er der Musik und den Bildern: "Ich weiß, dass das, was ich verinnerlicht habe, von der Malerei kommt und dass das viel mit den holländischen Landschaftsmalern zu tun hat. Dass ich von Paul Klee, von Max Beckmann und irgendwann auch vom Edward Hopper mehr gelernt habe über Bilder als vom Kino selbst."
München in den Sechzigern: Fassbinder - Herzog - Wenders
München war die Filmstadt in den 1960er-Jahren. Hier trafen sich die Generationsgenossen Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders. Alle drei haben sie das deutsche Nachkriegskino entscheidend geprägt, allerdings mit völlig unterschiedlichen Mitteln. Fassbinder als Berserker, Herzog als Besessener und Wenders als Philosoph. Sein Kamerablick könnte auch aus der Engelsperspektive stammen wie in "Himmel über Berlin".
Seine Oscar-Nominierungen erhielt Wim Winders für Dokumentarfilme: 2000 für "Buena Vista Social Club", 2012 für "Pina", 2015 für "Das Salz der Erde". "Es ist eine Frage der Mittel. Je mehr Mittel man braucht, um etwas zu machen, umso langwieriger wird es, umso weniger kann man letzten Endes sagen. Es ist leider die Wirklichkeit im Filmgeschäft. Wenn ich viele 100 Millionen habe, kann ich damit nichts sagen. Wenn ich ganz wenig Geld habe, kann ich alles sagen, was ich will."
Zuletzt wurde Wim Wenders gleich zweifach geehrt. Auf der Berlinale bekam er 2015 den Goldenen Ehrenbären und im New Yorker Museum of Modern Art widmete man ihm eine Einzelausstellung. "Ich bin jetzt im 70. Lebensjahr und das mit dem MoMA ist schon der Hammer, weil ich das erste Mal überhaupt in Amerika auf Einladung des MoMA war, im März 1972. Das war ein Riesending für mich damals", kommentierte er damals die Ausstellung.
Trauerarbeit in 3D für Pina Bausch
Für die Film-Hommage zu Ehren der Choreografin Pina Bausch revolutionierte Wenders mal eben die 3D-Technik und bewies allen, die sie bis dahin für technischen Firlefanz und Budenzauber gehalten hatten, welche Möglichkeiten in ihr stecken. Zugleich war auch dieser Film wieder ein Glaubensbekenntnis und eine Art Liebesfilm: "Wenn dieser Film naturgemäß auch eine Art Trauerarbeit war, dann hieß das nicht, dass dieser Film eine traurige Arbeit geworden ist. Das haben die Tänzer und auch ich von Pina gelernt. Wir haben viel gelacht. Und in all dieser Trauerarbeit haben wir auch viel Spaß gehabt."
Den Filmbegeisterten bleibt der egoistische Wunsch: Möge dieser Drall, sich im Leben links zu halten, noch ganz lange erhalten bleiben: "Ich finde, dieser Planet ist nach wie vor wahnsinnig aufregend, und man kann Orte finden, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass es sie geben kann. Ich gehe grundsätzlich nach links, wenn die Leute sagen: Geh' nach rechts, da ist alles interessant! Dann gehe ich nach links."
Film über Stararchitekten Peter Zumthor in Arbeit
Mit seinem neusten Film will Wim Wenders die Architektur von Peter Zumthor erfahrbar machen. Wie die Filmproduktionsfirma Boxfish am Donnerstag in Berlin mitteilte, haben die Dreharbeiten Anfang des Monats im norwegischen Vardo begonnen. Der Dokumentarfilm werde demnach an mehr als einem Dutzend Orte auf der ganzen Welt gedreht. Der Regisseur fühle sich von der Arbeitsweise des Stararchitekten angesprochen.