Ungewöhnliche Orte - rätselhafte Stimmung
Seine Spielfilme wie "Paris, Texas", "Der Himmel über Berlin" oder "Don’t Come Knocking" sind stets tiefgründig. Seine Dokumentationen wie "Yamamoto", "Buena Vista Social Club" oder zuletzt "Pina" sind immer ganz dicht an den Menschen.
Wim Wenders ist einer der wichtigsten deutschen Filmemacher, er ist aber auch leidenschaftlicher Fotograf. Einen Querschnitt seiner Fotoarbeiten aus bald 30 Jahren gibt es nun als Buch. Mathias Heller hat es sich angeschaut.
In seinen Filmen war und ist Wenders Bildsprache nie laut. Auch wenn es mal wie in "The Million Dollar Hotel" oder in "Am Ende der Gewalt" etwas ruppig zugeht. In seinen Fotografien ist es nicht anders. Träumerisch verklärt sind sie, strahlen eine sanfte Ruhe aus. Aufgenommen als Notizen bei der Suche nach geeigneten Drehorten, Kameraperspektiven oder einfach nur ungewöhnlichen Plätzen - überwiegend menschenleer. Plätze, denen Wenders eine neue Bedeutung gibt. Wie den quietschbunt gekachelten Sonnenliegen auf einer Mole, mit Blick auf den Hafen von Palermo.
Wim Wenders: "Was könnte das Gegenteil hierzu sein? Und wo sollte es das geben? Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese "Strandszene" in Palermo ohnehin schon aus einem Paralleluniversum stammte."
Bilder, die Geschichten erzählen
Der Filmemacher fügt seinen fotografischen Notizen kleine textliche bei. Er wirft, wie in seinen Filmen, damit einen Schlagschatten. Oft ist das gar nicht notwendig. Die versammelten 37 Bilder sind poetisch und erzählen ihre eigenen Geschichten. Wie das eines verrosteten und heruntergekommenen Riesenrades in der Steppe Armeniens, an dem nur noch wenige Gondeln, wie verdorrte Blätter, an einen vertrockneten Gummibaum pendeln.
Wim Wenders: "Der Wind bewegte das große Rad ganz sanft, so dass es langsam vor sich hinquietschte. Das Echo, dass ich mir dazu vorstellte: Kirmesmusik. Stimmengewirr und gelegentlich ein sorgloses Lachen."
Ein Soundtrack im Kopf
So funktionieren die zusätzlichen Texte, wie ein gut abgestimmter Soundtrack. Fotos eines Wand-Graffitis, das nach gutgemachter, aber nicht spektakulärer Streetart aussieht. Bis man die dazugehörigen Zeilen liest:
Leseprobe:
"Tief im Tunnel einer stillgelegten Eisenbahnstrecke lebte eine sehr seltene Art von Fledermäusen. Die habe ich nur einmal sanft flattern hören. Dafür bin ich im Dunkeln auf diese außergewöhnlichen Wandbilder gestoßen. Monate später bin ich zurückgekommen, mit Taschenlampe und Stativ ausgerüstet. Und erst viel später habe ich herausgefunden, dass die Bilder von "Os Gemeos" gemalt waren, berühmten Zwillingsbrüdern aus Sao Paolo."
Orte visueller Poesie
Der Band "Places, strange und quiet" ist ein wunderbar kleines Büchlein, das faszinierende Augenblicke versammelt. Festgehalten von einem Mann, der die Gabe hat, der Tristes Charakter zu verleihen. Den teilweise postkartengroßen Bildern hätte man allerdings doch mehr Raum und Größe gewünscht. Schließlich sollte man sich Wenders Filme auch nicht auf einem Handy anschauen.
Nichts desto trotz wünscht man sich mehr von Wenders fotografischer Poesie zu sehen, wenn es sein muss auch im Kleinformat. Denn eins brauchen wir doch immer wieder mal - einen Augenblick und einen Ort der Ruhe.
Places, strange and quiet
- Seitenzahl:
- 140 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3775731485
- Preis:
- 24,80 €