Schauspielerin Sandra Hüller sorgt in Cannes für viel Aufsehen
Die Filme "Anatomy of a Fall" und "The Zone of Interest" zählten bei den Filmfestspielen in Cannes zu den Favoriten auf die Goldene Palme - in beiden spielt die Deutsche Sandra Hüller die weibliche Hauptrolle.
Es ist schon ein paar Jahre her, dass Sandra Hüller mit der Tragikomödie "Toni Erdmann" in Cannes die Herzen von Kritikern und Publikum im Sturm erobert hat. Nun wird in Cannes wieder viel über Sandra Hüller gesprochen. Dabei war sich die Schauspielerin lange nicht sicher, ob sie in "The Zone of Interest" überhaupt mitspielen will.
Einerseits wollte sie unbedingt Teil des Teams sein, weil der Brite Jonathan Glazer Regie führen sollte - ein Filmemacher, der für seinen ungewöhnlichen und herausfordernden Stil bekannt ist. Andererseits schreckte sie die Rolle ab. Denn "The Zone of Interest" handelt von KZ-Kommandant Rudolf Höß und seiner Frau. Vor den Toren von Auschwitz haben sie ein Familienidyll gepflegt, das das wenige Meter entfernte Leid eiskalt ausgeblendet hat. "Es war so ein absolutes Wechselspiel. Da ich jetzt kein besonderes Interesse daran habe, Leute mit faschistischem Hintergrund zu porträtieren, war das erstmal schrecklich für mich", sagt Hüller.
"The Zone of Interest" - Egoismus verleitet zum Wegschauen
Dass Hüller sich schlussendlich doch dazu entschieden hat, ein gefühlloses Monster wie Hedwig Höß zu spielen, lag an der unkonventionellen Arbeitsweise von Regisseur Jonathan Glazer. Die strenge Bildkomposition von "The Zone of Interest" wirkt wie ein Verfremdungseffekt.
Der Film ist weniger historisches Drama als vielmehr ein auf mehreren Ebenen angesiedeltes Bühnenstück, das der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Kernaussage: Damals wie heute - Egoismus verleitet zum Wegschauen. "Die Welt, in der wir leben, ist total gefährlich und empfänglich für diese Ideen", meint Hüller. "Jeder kann selbst mal gucken, wo er denn für sein eigenes Wohlempfinden bestimmte Dinge ausblendet, nicht sehen will oder vergisst."
"Anatomy of a Fall": Des Mordes verdächtig
Während Hüller zu ihrer Rolle in "The Zone of Interest" ein professionell-distanziertes Verhältnis hat, liegt ihr die Figur, die sie im zweiten Wettbewerbsfilm darstellt, geradezu am Herzen. In dem französischen Drama "Anatomy of a Fall" spielt sie eine undurchsichtige Schriftstellerin, die des Mordes an ihrem Mann verdächtigt wird. Regisseurin und Drehbuchautorin Justine Triet, mit der Hüller bereits 2019 zusammengearbeitet hat, hat die komplexe Rolle extra für ihre deutsche Kollegin geschrieben. Entsprechend leicht fiel es der Schauspielerin, sich mit dem Film und der Figur zu identifizieren. "Das war ganz leicht, weil das Buch so perfekt war", findet Hüller. "Das hat mich sehr angezogen, zu dieser Figur hingezogen."
Sandra Hüller sorgt international für Aufsehen
Die Rolle ermöglicht es ihr, die enorme Bandbreite ihres Könnens zu zeigen - das Ergebnis ist eine Wucht. Dass Hüller, um die in Cannes ein regelrechter Medienhype entstanden ist, bei all dem Rummel nicht die Bodenhaftung verliert, ist bewundernswert - aber auch typisch für die stets sehr reflektiert auftretende Schauspielerin.
Dazu passt auch, dass sie den Adelsstand eines internationalen Filmstars, in den sie Festivalleiter Thierry Fremaux vor versammelter Presse erhoben hat, ein wenig übertrieben findet: "Ich glaube, zum Starsystem gehört immer noch ein bisschen was anderes. Aber es ist natürlich toll, diesen Respekt entgegengebracht zu bekommen."