Peter Simonischek sitzt an einem Tisch. © picture alliance/dpa | Matthias Röder
Peter Simonischek sitzt an einem Tisch. © picture alliance/dpa | Matthias Röder
Peter Simonischek sitzt an einem Tisch. © picture alliance/dpa | Matthias Röder
AUDIO: Schauspieler Peter Simonischek ist mit 76 Jahren gestorben (2 Min)

Peter Simonischek ist tot: Ehrliche Haut statt großer Versteller

Stand: 31.05.2023 16:45 Uhr

Als Toni Erdmann in Maren Ades gleichnamiger Komödie wurde er weltbekannt. Den "Jedermann" in Salzburg hat er länger gespielt als jeder andere. Nun ist der österreichische Schauspieler Peter Simonischek im Alter von 76 Jahren gestorben, wie NDR Kultur aus seinem unmittelbaren Umfeld erfahren hat.

von Peter Helling

Wer über Peter Simonischek spricht, muss über Zähne sprechen. Als Toni Erdmann mit Fusselperücke und furchterregendem Gebiss wurde Simonischek 2016 weltbekannt. Das Bild des Schauspielers mit dem schiefen Gebiss prägt sich ein - und wird umso lustiger, wenn man weiß, dass Peter Simonischek Sohn eines Zahnarztes ist.

Der österreichische Schauspieler Peter Simonischek mit einem künstlichen Gebiss © picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk
Diese Zähne schrieben Filmgeschichte: Für seine Rolle als Toni Erdmann trug Simonischek ein schräges Gebiss.

Die schiefen Zähne "standen im Buch, und als ich das gelesen habe, dachte ich: Das ist ein Riesenzufall!", verriet Peter Simonischek einmal im Gespräch mit dem NDR. Der mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete und für die Oscars nominierte Film erzählt die Geschichte einer überspannten Business-Frau und ihres Vaters. Um seine Tochter aus ihrem engen Arbeitskorsett zu befreien, verwandelt der Vater sich in den schrägen Toni Erdmann.

Weitere Informationen
Sandra Hüller und Peter Simonischeck in einer Filmszene in aus "Toni Erdmann" von Maren Ade © Komplizen Film / NFP

Der wunderbar komische "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek

Halbseidener Anzug, Zottelperücke: Toni Erdmann (Peter Simonischek) mischt das Leben seiner Tochter auf. Maren Ades Komödie erhielt zahlreiche Preise - und eine Oscar-Nominierung. mehr

Peter Simonischek: Ein Gigant auf der Theaterbühne

Peter Simonischek singt und reißt den Kopf in die Höhe. © picture alliance / HANS PUNZ / APA / picturedesk.com | HANS PUNZ
Peter Simonischek in "Hiob" nach dem Roman von Joseph Roth im Jahr 2019 am Burgtheater in Wien.

Peter Simonischek war aber nicht nur ein Filmstar, sondern vor allem ein Gigant auf der Bühne. Mehr als 20 Jahre war er festes Mitglied im Ensemble des Wiener Burgtheaters, zuvor schon lange Jahre an der Berliner Schaubühne. Mit seinen schlohweißen Haaren gilt er als Paradebesetzung von Patriarchen und Vaterfiguren. Peter Simonischek spielt sie nicht, er verkörpert sie. Den "Jedermann" in Salzburg hat er acht Jahre lang gespielt - länger als jeder andere. Simonischek war stolz darauf, es auf genau 100 Vorstellungen gebracht zu haben (inklusive Generalproben). "Das macht einfach Freude", sagte Simonischek. "Es ist vielleicht nicht eine so große künstlerische Herausforderung wie der Prospero oder Hiob, aber es hält sich die künstlerische und die sportliche Herausforderung die Waage: Es ist immens anstrengend."

Simonischek war ein "melancholischer Komiker"

Joachim Lux, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, hat am Burgtheater mehrmals mit ihm zusammengearbeitet. "Für mich war er immer ein melancholischer Komiker gewesen", sagt der Intendant. "Er hat in unserer Burgtheater-Zeit in dem Stück "Die Zeit der Plancks" einen Sterbenden gespielt, der seine Töchter wie König Lear um sich versammelt hat. Dort hat er der Situation der eigenen Vergänglichkeit die Komik abgerungen. Die Komik ist etwas, das den Tod transzendiert, zugunsten von einem Humor, der größer ist als unser Leben."

Weitere Informationen
Peter Simonischek © imago

"Melancholischer Komiker": Zum Tod von Peter Simonischek

Ein Gespräch mit dem Theaterintendanten Joachim Lux, der mit dem österreichischen Schauspieler einige Male zusammengearbeitet hat. mehr

Simonischek ging heimlich zur Schauspielschule

Als Kind in der Ost-Steiermark war Simonischek Messdiener - das passt irgendwie: "Ich wollte da einfach einen Auftritt haben, und der Oberministrant war in dem Sinne mein erster Regisseur. Ich habe es irgendwie genossen, wenn man das Gefühl hatte, da gucken ganz viele Leute zu", erinnerte er sich. Auf Druck des Vaters sollte er Zahntechniker werden. Aber mit 16 sah er den großen Helmut Lohner als Hamlet. "Da war ich so aufgeregt, als ich rausging. Ich war außer mit vor Begeisterung. Ich dachte, das ist es!" Heimlich besuchte er die Schauspielschule in Graz.

Simonischecks Spiel ist kein "Verstellen"

Danach begann Simonischeks Karriere. Ab 1979 spielte er bei Peter Stein an der legendären Schaubühne in Berlin - war dort bis 1999. Anschließend ging er nach Wien, ans Burgtheater, wo er heute Ehrenmitglied ist und Rollen wie den Hiob spielt.

Peter Simonischek bewunderte Kollegen wie Lars Eidinger und Gert Voss, er nannte sie "große Versteller". Er selbst? Er ist einfach. Manchmal leise lächelnd, manchmal aufbrausend, mal zorniger Patriarch mit grauer Mähne, mal eleganter Grandseigneur, mal herzerwärmender Clown. Einnehmend, durchlässig, pur. Den Jedermann in Salzburg hat er länger gespielt als jeder andere, ganze acht Jahre lang. Simonischek meinte, Schauspiel habe auch ein bisschen mit Lüge zu tun: "Ein Schauspieler ist natürlich ein Lügner im Dienst der Wahrheit, es gibt in der Lüge eine Wahrhaftigkeit". Wobei Lüge viel zu hässlich klinge. Die Liebe muss fließen beim Spielen, sagte er freimütig. Und das Publikum liebte ihn zurück.

"Der vermessene Mensch": Simonischeks letzte Filmrolle

Viele kennen ihn aus Filmen wie "Die Welt der Wunderlichs". In "Crescendo" von 2019 spielte er einen Dirigenten, der ein Orchester mit israelischen und palästinensischen Musikern und Musikerinnen zusammenstellt. Man glaubte ihm jeden Ton. Noch in diesem Jahr war Peter Simonischek als Schauspieler aktiv. Im Februar stellte er auf der Berlinale gemeinsam mit Lars Kraume den Film "Der vermessene Mensch" vor, in dem er eine Nebenrolle spielt.

Weitere Informationen
Leonard Scheicher in "Der vermessene Mensch" © Studiocanal

"Der vermessene Mensch": Dunkles Kapitel deutscher Kolonialgeschichte

Regisseur Lars Kraume zeigt schonungslos den Völkermord, der zwischen 1904 und 1908 in Deutsch-Südwestafrika stattfand. mehr

Europäischer Filmpreis: Dankesgesang statt Dankesrede

Peter Simonischek war ein Publikumsliebling - egal ob auf der Bühne oder im Film. Als er 2016 mit dem Europäischen Filmpreis als bester Schauspieler für seinen "Toni Erdmann" gekürt wird, lacht er und dankt vor allem seiner Regisseurin Maren Ade im Publikum, dass sie ihm die Rolle auf den Leib geschrieben habe. Er verrät, dass er keine Dankesrede geschrieben hat. Bei vorherigen Nominierungen war er mit vorbereiteter Rede stets leer ausgegangen. Schließlich stimmt er einen schrägen Dankesgesang an und erobert die Herzen im Flug. Nun ist Peter Simonischek im Alter von 76 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 30.05.2023 | 10:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Spielfilm

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Chormitglieder in schwarzer Kleidung auf einer Fußgängerbrücke im Grünen. © Anke Schröfel Foto: Anke Schröfel

Johannes-Brahms-Chor Hannover feiert 40-jähriges Bestehen

Der Chor ist 1984 aus dem Mädchenchor Hannover hervorgegangen. Manche Mitglieder sind schon seit Jahrzehnten dabei. mehr