Peter Simonischek © imago
Peter Simonischek © imago
Peter Simonischek © imago
AUDIO: "Melancholischer Komiker": Zum Tod von Peter Simonischek (5 Min)

"Melancholischer Komiker": Zum Tod von Peter Simonischek

Stand: 30.05.2023 18:23 Uhr

Peter Simonischek ist mit 76 Jahren gestorben. Ein Gespräch mit dem Intendanten des Hamburger Thalia Theaters Joachim Lux, der mit dem österreichischen Schauspieler einige Male zusammengearbeitet hat.

Peter Simonischek hatte den "Jedermann" in Salzburg öfter als alle anderen gespielt. Der Theatergigant hat mit den größten Regisseuren und Regisseurinnen gearbeitet. Weltweite Bekanntheit erreichte er in der Rolle des Toni Erdmann in Maren Ades gleichnamigen Film.

Herr Lux, Sie sind 1999, zeitgleich mit Peter Simonischek, ans Wiener Burgtheater gegangen, damals als Mitglied der künstlerischen Direktion. Wie gut kannten Sie ihn persönlich?

Joachim Lux: Wir kannten uns aus vielen gemeinsamen Arbeiten. Wir haben uns aber auch außerhalb der Arbeit sehr geschätzt - oder besser gesagt: ich ihn. Denn er war letztendlich, jenseits allen Startums, ein Mensch, der für das Theater als Ganzes gedacht hat und nie nur für sich selbst. Er hat aus dem Herzen heraus an diesem Theater gearbeitet.

Was war er für ein Schauspieler? Ein Grübler, ein Körperdarsteller, ein Verkörperer? Wie würden Sie ihn beschreiben?

Joachim Lux © Armin Smailovic
"Diese Art des Tänzelns über der Vergänglichkeit - das ist das, was ihn ausgemacht", sagt Joachim Lux über Peter Simonischek.

Lux: Für mich ist er schon immer ein melancholischer Komiker gewesen. Ich glaube, das trifft es am besten. Vor meiner Burgtheater-Zeit gab es die berühmte Aufführung "Rue de Lourcine" von Klaus Michael Grüber, eine Sensationsaufführung. Da hat man ihn als melancholischen Komiker gesehen. Das zieht sich durch seine gesamte Berufsbiografie und auch die Rollen, die er am Burgtheater gespielt hat.

In Österreich wird er unglaublich verehrt. Er hat als Jedermann Theatergeschichte geschrieben. Warum haben ihn die Österreicher so geliebt?

Lux: Ich sage Ihnen ein Beispiel: Er hat in unserer Burgtheater-Zeit in dem Stück "Die Zeit der Plancks" einen Sterbenden gespielt, der seine Töchter wie König Lear um sich versammelt hat. Dort hat er der Situation der eigenen Vergänglichkeit die Komik abgerungen. Die Komik ist etwas, das den Tod transzendiert, zugunsten von einem Humor, der größer ist als unser Leben. Das ist das, wofür Peter gestanden hat, und das ist das, wofür die Menschen - und die Österreicher insbesondere - ihn geliebt haben.

Weitere Informationen
Peter Simonischek sitzt an einem Tisch. © picture alliance/dpa | Matthias Röder

Peter Simonischek ist tot: Ehrliche Haut statt großer Versteller

Peter Simonischek bezeichnete seine Tätigkeit als Schauspieler einmal als "Lügner im Dienst" - dabei war er in seinen Rollen nie ein großer Versteller. mehr

Diese Komik blitze auch in "Toni Erdmann" durch, etwa durch seine schiefen Plastikzähne. Er war auch in der legendären deutschsprachigen Erstaufführung von Yasmina Rezas "Kunst" dabei. Gibt es eine Figur von ihm, die Sie besonders mochten?

Lux: Ja, all die genannten. In "Toni Erdmann" zieht sich das zusammen, was wir gerade erwähnt haben, genau wie in "Rue de Lourcine" oder in "Kunst": Diese Art des Tänzelns über der Vergänglichkeit - das ist das, was ihn ausgemacht hat. Das ist einzigartig. Das steht auch in einem seltsamen Widerspruch zu diesem "Baum von Mann", dass er trotzdem tänzelt.

Bei Schiller heißt es: "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze." Welchen Kranz würden Sie ihm dennoch flechten? Was bleibt von seiner Theaterkunst?

Lux: Man sagt immer, von einem Schauspieler bleibt die Stimme, weil es das einzige ist, was jenseits des Körpers herübergerettet werden kann. Vielleicht ist es seine Stimme, sein weiches und gleichzeitig kraftvolles Sprechen, sein Idiom, das immer etwas Österreichisches und damit auch etwas Weiches hatte.

Das Interview führte Eva Schramm.

Weitere Informationen
Peter Simonischek sitzt an einem Tisch. © picture alliance/dpa | Matthias Röder

Peter Simonischek ist tot: Ehrliche Haut statt großer Versteller

Peter Simonischek bezeichnete seine Tätigkeit als Schauspieler einmal als "Lügner im Dienst" - dabei war er in seinen Rollen nie ein großer Versteller. mehr

Sandra Hüller und Peter Simonischeck in einer Filmszene in aus "Toni Erdmann" von Maren Ade © Komplizen Film / NFP

Der wunderbar komische "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek

Halbseidener Anzug, Zottelperücke: Toni Erdmann (Peter Simonischek) mischt das Leben seiner Tochter auf. Maren Ades Komödie erhielt zahlreiche Preise - und eine Oscar-Nominierung. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 30.05.2023 | 16:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Spielfilm

Ein Mann sitzt auf einer Bühne an einem Klavier und spielt mit einer Hand, während er mit der anderen an einem Mann gefesselt ist. © Fabian Hammerl

"Barocco": Kirill Serebrennikovs Manifest für die Freiheit

Das Stück des russischen Regisseurs am Hamburger Thalia Theater ist ein klares Votum gegen den Krieg - und ein barockes Fest. mehr

Der brasilianische Musiker Jovey an der Alster in Hamburg © NDR Foto: Patricia Batlle

Jovey: Vom Straßenmusiker zur Oper am Thalia Theater in Hamburg

Opernregisseur Kirill Serebrennikov hat den 24-jährigen brasilianischen Straßenmusiker Jovey entdeckt und für sein Opus Magnum "Barocco" auf die Hamburger Bühne geholt. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Gemälde von Caspar David Friedrich "Der Morgen" © picture-alliance / akg-images | akg-images

"Waldendzeit": Caspar David Friedrich und die Bäume

Buchautor Wilhelm Bode ist Waldexperte und hat sich aus dieser Sicht mit den Gemälden von Caspar David Friedrich beschäftigt. mehr