"Barocco": Kirill Serebrennikovs Manifest für die Freiheit
Seit Ausbruch des Krieges lebt der russische Regisseur Kirill Serebrennikov im Exil. Als Artist in Residence am Hamburger Thalia Theater hat er dort am Donnerstag sein Stück "Barocco" auf die Bühne gebracht. Es ist ein klares Votum gegen den Krieg - und ein barockes Fest.
Was für ein Bild: Ein Mann sitzt an einem Flügel und spielt einhändig, mit der linken Hand, die Chaconne von Bach. Mit der rechten Hand ist er an einen Sicherheitsbeamten gekettet, der direkt daneben steht. Doch Daniil Orlov nimmt sich die Freiheit, trotzdem zu spielen - und wie! Die Zeit steht still in diesem Moment. Im Publikum: Atemloses Lauschen.
"Barocco" am Thalia Theater: Feuer als Leitmotiv
Kirill Serebrennikov überwältigt - mit Musik, mit Bildern, mit Tanz, mit immer wieder auf der Bühne loderndem Feuer, das ebenso inspirierend wie gefährlich sein kann. Gleich am Anfang setzt Serebrennikov das Leitmotiv und zieht dazu auch eine zweite Erzählebene ein: Ein depressiver Journalist beschäftigt sich mit Menschen, die sich aus Protest angezündet haben.
In "Barocco" geht es um politischen Widerstand und künstlerische Freiheit, Ausbruch und Aufbruch, von 1968 bis heute. Gleichzeitig ist das Stück ist eine Barock-Revue in zehn Bildern, die in der Sehnsucht nach Liebe, Sex, Freiheit schwelgt und gleichzeitig immer wieder den Tod und die Vergänglichkeit heraufbeschwört. Beide Pole feiert Serebrennikov gleichermaßen. Das Schauspielensemble, zu dem eine Opernsängerin gehört, geht in die Vollen, wirft sich hinein in die Arien.
Barocke Opulenz und leise Momente
Allerdings gibt es neben den Arien auch Rockmusik, ein vorzügliches Streichquintett und eine Band begleiteten das Ensemble. In manchen Szenen überwältigt dieses Manifest einfach nur, da blinkt und glänzt es überall, barock eben, in anderen hingegen erreicht Serebrennikov, der für Regie, Bühne und Kostüme verantwortlich ist, mit ganz wenigen Mitteln, dass das Publikum kollektiv die Luft anhält: Eine Plastiktüte tanzt einen einsamen Tanz, eingesperrt zwischen drei Wänden, immer wieder angetrieben von zwei Ventilatoren, schließlich kommt eine Tänzerin dazu. Zauberhaft.
Furioser Applaus am Schluss
Am Ende des Abends gibt es furiosen Applaus, niemand hält es auf dem Sitz. Eine Zuschauerin lobt beim Rausgehen: "Es wurde nie kitschig oder pathetisch, obwohl das Thema sehr schwierig ist. Da noch eine Distanz zu schaffen und einen Spielraum für die eigenen Vorstellungen, das fand ich sehr gelungen."
Der Abend ist ein klares Votum für die Freiheit und gegen den Krieg. Ein rauschendes barockes Fest. Gewidmet haben Serebrennikov und das internationale Ensemble den Abend allen politisch verfolgten Künstlern.
"Barocco": Kirill Serebrennikovs Manifest für die Freiheit
Das Stück des russischen Regisseurs am Hamburger Thalia Theater ist ein klares Votum gegen den Krieg - und ein barockes Fest.
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Thalia Theater
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