"Cranko": Packender Ballettfilm über eine Choreografen-Legende
John Cranko gehört zu den berühmtesten Choreografen der Welt. Bis zu seinem frühen Tod 1973 hat er das Stuttgarter Ballett geleitet, wo er Maßstäbe gesetzt hat. Nun hat er in Hamburg-Premiere gefeiert und kommt am diese Woche ins Kino.
Im Hamburger Zeise Kino hat gerade der Film angefangen. Hauptdarsteller Sam Riley ist auch vor Ort und ist noch geflasht von der Premiere in Stuttgart vor ein paar Tagen - sogar seine Mutter war da. Die Reaktionen waren begeistert. Superschlank, in schwarzer Hose und schwarzem Hemd kommt der geborene Brite jetzt die Treppe rauf zum Foyer.
"Ehrlich gesagt", gesteht der Schauspieler beim Interview, "als ich den Namen auf dem Drehbuch gesehen habe 'John Cranko' habe ich gedacht, es wäre vielleicht ein Actionfilm. Aber ich habe natürlich jetzt viel gelernt." Nach diesen Dreharbeiten sei er bereichert und nachhaltig beeindruckt von dieser Kunstform und diesem Choreografen John Cranko, erzählt er.
Das deutsche Drehbuch hatte seine Frau - Schauspielerin Alexandra Maria Lara - zuerst gelesen: "Ich habe eine E-Mail von meiner Agentur in London bekommen und dieses dicke Drehbuch. Und ich habe meine Frau Alexandra gefragt, die auch Schauspielerin ist, ob sie das für mich lesen kann, weil es für mich viel zu kompliziert war. Sie hat das gelesen und gesagt: Diese Rolle musst du spielen. Das ist ein Hammer."
Der Weg an die Weltspitze
Man könnte fast sagen: Sam Riley ist John Cranko, so überzeugend spielt er. Zur Authentizität gehört auch, dass er im Film mit seinem britischen Akzent spricht - wie John Cranko, der 1961 von London nach Stuttgart kam. Er wurde als Homosexueller aus dem Job geschmissen und gedemütigt.
Ich glaube man muss die Schattenseiten des Lebens sehen, um irgendetwas Schöpferisches tun zu können. Erst wenn man erkennt, wie schrecklich die Menschen sind, kann einem zu Bewusstsein kommen, wie schön sie sind. Filmszene aus "Cranko"
Cranko ist als Gastchoreograf ins beschauliche Stuttgart eingeladen. Und bleibt. Mit der umjubelten Inszenierung von "Romeo und Julia" hat er seinen Durchbruch. Schnell steigt er zum Superstar des Balletts auf. Er ist ein Getriebener, berauscht auf der Suche nach Perfektion. Sein Büro hat er in der Theaterkantine, raucht Kette auch im Ballettsaal, betrinkt sich. Sein unkonventioneller Lebensstil scheint niemanden zu stören. Er bringt die kleine Compagnie an die Weltspitze, tanzt mit ihnen in New York.
Dreharbeiten mit Profis vom Stuttgarter Ballett
Joachim A. Lang hat Regie bei "Cranko" geführt und das Drehbuch geschrieben. Er zeichnet das kurze Leben dieses Ausnahmechoreografen mit all seinen Facetten nach: die Liebe zu seiner Kunst, seine Lebenszweifel bis zu Selbstmordversuchen, seine Sensibilität, seine Affären, seine klare Sicht und sein Durchsetzungsvermögen.
Cranko gab spätere Stars wie John Neumeier oder dem Bühnenbilder Jürgen Rose Raum und Unterstützung. Regisseur Lang hat mit den Tänzern und Tänzerinnen vom Stuttgarter Ballett gedreht, wie er dem Kinopublikum nach dem Film erzählt: "Wenn Schauspieler Ballett tanzen, das wird einfach nicht so gut. Man kann es nur so machen. Und deswegen bin ich auch das Risiko eingegangen, dass die Tänzerinnen und Tänzer auch schauspielern. Oft wird es umgekehrt gemacht und viele haben Bedenken gehabt. Aber wenn man einen Ballettfilm machen will, dann müssen es die Tänzer und Tänzerinnen machen." Auch das macht den Film besonders. John Cranko stirbt überraschend 1973 inmitten seiner Tänzer auf dem Rückflug von einer USA-Tournee.
Der Film zeigt beeindruckend ein Stück Tanzgeschichte. Das Publikum war bei der Hamburger Aufführung im Anschluss begeistert: "Einer der besten Filme, die ich gesehen haben in den letzten Jahren. Diese Nähe zu den Tänzern und dieses Einfühlungsvermögen in diese Welt, das ist wirklich einmalig. Sam Riley ist der Hit."
"Cranko" startet am 2. Oktober bundesweit im Kino.