Christian Brückner zum 80. Geburtstag: "Ich will weiterarbeiten"
Seine Stimme kennt wohl fast jeder, denn er ist einer der erfolgreichsten Sprecher in Deutschland: Christian Brückner gibt Robert De Niro die deutsche Stimme und vertont Dokumentationen und Hörbücher. Heute wird er 80 Jahre alt.
Herr Brückner, man kann so einen runden Geburtstag immer gut nutzen, um zurückzublicken. Wie ist das bei Ihnen? Wenn Sie jetzt Sachen hören, die Sie vor zehn, 20 oder 50 Jahren gesprochen haben: Was macht das mit Ihnen?
Christian Brückner: Ich habe viel gemacht, klar, aber ich habe wenig davon gehört - und systematisch schon gar nicht. Jetzt, wo ich vielleicht wirklich in die Jahre komme, kommt es gelegentlich dazu, dass ich irgendwas - hauptsächlich unsere eigenen Hörbuch-Vertonungen - höre. Da bin ich dann doch einigermaßen erstaunt, wie vielfältig das ist und welches Vergnügen das sein kann, auch gelegentlich mal was zu hören. Das hab ich nie geglaubt, weil im Augenblick der Aufnahme - und auch lange danach - habe ich immer gedacht: Wenn ich das jetzt wieder höre oder hören muss, dann kann ich es nur in die Tonne treten, weil es mir nicht gut gelungen ist. Das klingt ein bisschen doof, das gebe ich zu, aber so war das. Ich wollte es so gut wie möglich machen und dachte häufig, meinem eigenen Anspruch nicht zu genügen.
Ist das ein bisschen Weisheit, die vielleicht erst mit dem Alter kommt, dass man gelassener auf so etwas zurückblickt?
Brückner: Das kann schon sehr gut sein, denn es ist nicht so, dass ich meine Stimme nicht leiden konnte oder dem gegenüber Zweifel hatte - das war es nicht. Aber es kommt zum Beispiel durch den großen Abstand, der jetzt fast zwischen Allem und der Gegenwart liegt. Da kann ich das besser von mir abtrennen, so als wäre ich das gar nicht gewesen, der das alles gemacht hat.
Sie haben in all diesen Jahrzehnten diese eine Frage "Werden Sie eigentlich an der Stimme erkannt?" wahrscheinlich ganz oft gestellt bekommen. Deswegen die abgewandelte Form: Wann und wo haben Sie zuletzt den Satz gehört: "Ich kenne doch ihre Stimme!"?
Brückner: Das klingt auch doof, aber den höre ich täglich. Durch die lange Zeit ist meine Stimme bei vielen Menschen ins Ohr gegangen und wird eigentlich ständig identifiziert, auch auf der Straße.
Was ist aus Ihrer Sicht das Gute daran, wenn wir durch Streaming, mobile Nutzung etc. alle wieder mehr hören und mehr zuhören - außer, dass ihr Geschäft gut läuft? Was macht das mit uns?
Brückner: Es kann ganz viel machen: Es kann bei entsprechendem Interesse zu einer gesteigerten Konzentration führen und zu der gesteigerten Fähigkeit, Sprache überhaupt aufzunehmen und gewissermaßen seinen sprachlichen, Interesse-mäßigen und kulturellen Radius doch beträchtlich zu erweitern.
Jetzt gibt es gerade von Ihnen wieder etwas Neues zu hören: "Hinab in den Maelström" von Edgar Allan Poe. Was erwartet uns in diesem Hörbuch?
Brückner: Eine wirklich spannende Poe-Geschichte, der ja einer der frühen Meister der Krimigeschichten ist und der auf alle Fälle Spannung garantiert. Gleichzeitig war er ein großer Schriftsteller, der bis heute über die Fähigkeit verführt, denjenigen, der ihn liest oder hört, wirklich zu faszinieren. Das ist nicht verloren gegangen. Edgar Allan Poe: ein Großer.
In dem Fall kombiniert mit Jazz vom Martin Auer Quintett, also nochmal eine besonders spannende Mischung. Sind das Projekte wie diese, die den Beruf für Sie auch nach so vielen Jahren spannend bleiben lassen?
Brückner: Absolut! Ich bin der lebende Beweis, dass das passieren kann. Diese Spannung und dieses Interesse wird mich nicht verlassen: an der Musik sowieso, aber auch an der Kombination Musik und Sprache, die einfach nicht aufzulösen ist. Sprache und Musik wird, glaube ich, leider häufig einfach mechanisch zusammengesetzt, ohne groß drüber nachzudenken, ob es zusammen gehört. Wenn es zusammen gehört - und das ist in dieser Geschichte, glaube ich, der Fall - wird es wahrscheinlich eine gute Geschichte und einigermaßen erfolgreich. Das war gleich meine Prognose und die stelle ich nicht immer.
Also ein Hörbuch als selbst gemachtes Geburtstagsgeschenk. Wie feiern Sie ansonsten diesen Tag?
Brückner: 80 ist schon etwas Besonderes. Ich habe mich um Geburtstage nie viel gekümmert. Obwohl ich zum 75. zum Beispiel einen riesigen Geburtstag mit einer ganzen Reihe Menschen gefeiert habe, wollte ich jetzt das Gegenteil machen. Ich wollte in Ruhe im engsten Familienkreis auch ein bisschen nachdenken. Ich denke, 80 ist schon eine echte Zäsur. Da kann man drüber nachdenken. Ich will weiterarbeiten - darüber gibt es gar keine Zweifel, aber ich will vielleicht auch letzten Endes noch die ein oder andere neue Perspektive finden, obwohl das verwegen klingt für so einen alten Kerl wie mich. Oder bestimmte Dinge erfinden, die dem Hörer nicht unbedingt auffallen müssen, aber die mir als neue Kreation Spaß machen und mich herausfordern.
Das Gespräch führte Jan Wiedemann.