Menschen sitzen an einem langen Tisch und unterhalten sich. Ein Schriftstück im Vordergrund trägt die Überschrift "Mephisto". © NDR Foto: Janek Wiechers
Menschen sitzen an einem langen Tisch und unterhalten sich. Ein Schriftstück im Vordergrund trägt die Überschrift "Mephisto". © NDR Foto: Janek Wiechers
Menschen sitzen an einem langen Tisch und unterhalten sich. Ein Schriftstück im Vordergrund trägt die Überschrift "Mephisto". © NDR Foto: Janek Wiechers
AUDIO: Mit ganz neuem Blick: Diskutieren über Klaus Manns "Mephisto" (3 Min)

Staatstheater BuchClub: Literaturbegeisterte diskutieren "Mephisto"

Stand: 06.03.2025 10:19 Uhr

Am Sonnabend hat "Mephisto" nach dem Roman von Klaus Mann am Staatstheater Braunschweig Premiere. Vorab haben Interessierte im neuen "Staatstheater BuchClub" darüber diskutiert - und das kam gut an.

von Janek Wiechers

Im Bistro "5kW", dem gläsernen Kubus auf dem Dach des kleinen Hauses des Staatstheaters Braunschweig, haben sich zehn Menschen an einem langen Tisch um Volker Ludewig versammelt. "Einige von Ihnen kenne ich schon vom letzten Mal von unserem Nosferatu-Buchclub und Dracula-Buchclub - und ja, heute treffen wir uns für Klaus Manns 'Mephisto'", sagt Ludewig. Mit ihm am Tisch sitzt eine bunte Gruppe literatur- und theaterbegeisterter Leute: eine Studentin, eine 85-jährige Rentnerin, ein Ehepaar, eine Frau aus Südkorea und ein 29-jähriger Autoingenieur.

"Das Buch 'Mephisto' von Klaus Mann habe ich schon in der Schule gelesen. In der 12. Klasse war das bei uns Pflichtlektüre. Jetzt habe ich es quasi 20 Jahre später nochmal gelesen in Vorbereitung", sagt ein Teilnehmer. "Ich lese unheimlich gerne und ich finde es super, dass in der heutigen Zeit überhaupt noch wer über Bücher reden will", freut sich ein anderer Besucher.

Lesen, nachdenken, diskutieren im "Staatstheater BuchClub"

Der kleine, aber dafür umso interessiertere Kreis von Menschen ist gekommen, um sich an diesem Abend unter Volker Ludewigs Leitung über Klaus Manns Roman "Mephisto", seine Entstehungsgeschichte und das, was ihn auch heute noch aktuell macht, zu unterhalten. "Du bist nicht vornehm. Denn Du bist ein Affe der Macht und ein Clown zur Zerstreuung der Mörder", liest Ludewig aus dem Roman vor. "Einer, der für mich stärksten Sätze, den ich aus dem Roman mit rausnehme", betont er.

Dann fragt Ludewig die in die Runde: "Die Lektüre, wie ist die Ihnen jetzt vorgekommen? Was sind Ihre Leseerfahrungen?" Eine Teilnehmerin antwortet: "Es wird viel über Gesichter geschrieben. Und wie man ein Gesicht beschreiben kann, fand ich schon sehr beeindruckend." Ein anderer ist begeistert: "Über diese Zeit bis 1936 habe ich tatsächlich aus diesem Roman jetzt noch ein paar Erkenntnisse gewonnen. So viel wusste ich davon gar nicht."

Diskussion über Romane und deren Bühnenadaptionen

Volker Ludewig arbeitet normalerweise im Besucherservice des Staatstheaters Braunschweig. Er hat den Buchclub ins Leben gerufen, um über Literatur zu diskutieren, die Grundlage aktueller Inszenierungen am Staatstheater ist, sagt der studierte Anglist: "Dramaturginnen sind stark belastet bei uns am Haus und da dachte ich, kann ich ja mal fragen, ob ich das nicht selber anbieten kann." Pro Buch gibt es zwei Treffen. Beim ersten Mal sprechen sie über das Buch, über dessen Entstehungszeit und die Bedeutung heute, erklärt Ludewig.

Gustaf Gründgens als eigentliche Hauptfigur

"Mephisto" ist Klaus Manns sechster Roman. Das 1936 im Exil erschienene Buch dreht sich in Gestalt der Romanfigur Hendrik Höfgens in Wahrheit um den Schauspieler Gustaf Gründgens. Der war umstritten, weil er sich bei den Nationalsozialisten angebiedert hatte, und unter ihnen zum gefeierten Theater- und Kinostar geworden war. Die Veröffentlichung des Buches war zunächst aufgrund eines gewonnenen Rechtsstreits von Gründgens‘ Adoptivsohn 1971 höchstrichterlich verboten. Doch der Rowohlt-Verlag setzte sich schon zehn Jahre später darüber hinweg und brachte das Buch heraus. Istvan Szábo verfilmte den Roman noch im selben Jahr mit Klaus Maria Brandauer. Und auch am Theater sind immer wieder Bühnenfassungen zu sehen.

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Klaus Manns Roman heute noch aktuell

Angesichts erstarkender antidemokratischer Kräfte hätten die Themen aus Manns Roman wieder große Aktualität, meinen einige der Teilnehmenden. Wie gefährdet sind eine freie Meinungsäußerung und die Ausübung von Kunst und Kultur heute? Was ist, wenn wir uns eines Tages wieder entscheiden müssen: Widerstand zu leisten oder als Mitläufer zu agieren? Diese Fragen diskutieren sie.

"Wir leben schon in einer ähnlichen Situation", bemerkt eine Teilnehmerin. "Wenn das damals auch so war, dass quasi nicht die Leute nur schuld waren, die aktiv Böses getan haben, sondern auch der ganz, ganz große Teil an Leuten, der einfach nichts getan hat, dann ergibt das schon alles Sinn. Ich finde, dass man solche Ängste und solche Gefahren viel ernster nehmen sollte", sagt eine andere.

Zweites Treffen nach der Premiere

Knapp zwei Stunden dauert der "Staatstheater Buchclub". Nach der Premiere von "Mephisto" will man wieder zusammenkommen - um dann über die Bühnenadaption zu sprechen. Der erste Termin zu Mephisto kam jedenfalls gut an: "Ich fand die Atmosphäre sehr schön und dass jeder so seinen Senf dazugeben konnte", freut sich eine Teilnehmerin. "Manchmal stellt man auch fest, dass man ein Buch gelesen hat und hat sich so seine Gedanken gemacht - und dann kriegt man so eine ganz andere Blickrichtung auf die Art und Weise. Finde ich gut!", sagt ein Teilnehmer.

Und wenn Sie dort einmal selbst am Buchclub teilnehmen möchten - den nächsten gibt es am 26. März. Dann dreht sich die Gesprächsrunde um den Roman "Dracula" von Bram Stoker und die aktuelle Inszenierung "Nosferatu" am Staatstheater Braunschweig. "Mephisto" wiederum ist dann noch einmal Thema am 23. April.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 06.03.2025 | 06:20 Uhr

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