Tanzlegende Lucinda Childs eröffnet Sommerfestival auf Kampnagel
Mit Lucinda Childs hat eine der prägendsten Choreografinnen der jüngeren Tanzgeschichte das Sommerfestival auf Kampnagel eröffnet. Sie präsentierte vier Uraufführungen: die ersten Arbeiten, die sie seit fast einer Dekade mit ihrer Lucinda Childs Dance Company entwickelt hat.
Wie selbstverständlich sitzt Lucinda Childs fast bescheiden, still in ihrer Garderobe: die 84-jährige Tanz-Legende freut sich, wie sie sagt, nach einigen Jahren zurück auf Kampnagel zu sein. Wer diese Künstlerin erlebt, fällt fast rückwärts. Ausstrahlung ist kein Ausdruck für diese charismatische Frau mit den feinen Gesichtszügen. In krisenhaften Zeiten möchte sie das tun, was sie am besten könne: tanzen, erzählt sie - auf pure Art, das sei die beste Antwort. Sie hat mit Künstlern wie Robert Wilson, John Cage und Philipp Glass gearbeitet. Jetzt zeigte sie gleich vier neue Stücke - auch eines zur Musik, die Philipp Glass extra für sie komponiert hat. Mit ihm verbindet sie dieselbe minimalistische Ästhetik. Außerdem zeigte sie Arbeiten, die sie gemeinsam mit der Oscar-prämierten Avantgarde-Komponistin Hildur Guðnadóttir und dem Bildenden Künstler Anri Sala entwickelt hat.
Sommerfestival: Mischung aus Weltstadt und Wagenburg
Das Wetter spielt mit, die Vorfreude steigt, hinter jeder Tür öffnet sich ein ganz eigenes Universum: Überall summt und brummt es, im Festivalgarten entsteht wieder eine eigene Welt. Die Gartenkünstler Jascha und Franz gestalten den Platz bereits zum vierten Mal. Sie errichten "eine Sinfonie aus Laubengängen in Türkis, Blau und Aprikot", erzählen sie. Der Platz sei ein besonderer Ort, der für das Sommerfestival in einen Ausnahmezustand versetzt werden soll. "Das fügt sich dann fast am letzten Tag zusammen", bemerkt Franz.
Unter Stahlträgern und neben Graffiti-besprühten Wänden, direkt oberhalb des Osterbekkanals entsteht ein offener, lebendiger Ort für alle - mit dieser Mischung aus Weltstadt und Wagenburg. "Es ist vor allen Dingen ein Garten, den wir so noch nie gesehen haben", schwärmt Festivalleiter András Siebold und zeigt über das Gelände. "Es wird eigentlich in allen Hallen schon geprobt. Lucinda Childs ist seit ein paar Wochen hier. Gestern ist Anri Sala gekommen, um sein Bühnenbild für sie aufzubauen." Mit dynamischen Schritten geht er hinein in die Kampnagel-Hallen. "Wenn man so aufs Festival hinarbeitet, dann steigt jeden Tag das Energielevel, natürlich das Stresslevel und auch die Aufregung. Aber gleichzeitig ist die Lust so groß auf das, was wir uns so überlegt haben für drei Wochen, dass ich hoffe, dass ich alle Leute damit noch infiziere", sagt Siebold.
Vielfältiges Programm von Rap bis Lesung
In der Halle K4 etwa probt die Hamburger Musikerin Ace Tee am Bühnenstück für ihr neues Album. Vier Tänzer und Tänzerinnen bewegen sich zu den schweren Beats, werden in orangefarbenes Licht getaucht, während auf einer Videowand psychedelische Formen aufleuchten. Hier geht der Puls sofort an die Decke. Während in der Vorhalle an einer riesigen gebogenen Fläche geschraubt wird, auf die der international bekannte Videokünstler Anri Sala seine Arbeit projizieren wird, begrüßt András Siebold den Gastronomiechef des "Peacetanbul" auf der Piazza: "Da kommt Ergün, unser Wirt und Gastronom, das ist eh der wichtigste hier vor allem für die Stimmung." Im Garten zu sitzen, einer Lesung zuzuhören, sich vom Rap eines Hamburger Weltstars mitreißen zu lassen oder in ein Universum aus Tanz einzutauchen: Hier auf Kampnagel geht bald wieder alles. Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel läuft bis zum 25. August.