Jara Bihler und Lennart Lemster in einer Szene des Theaterstücks "Ferdinand der Stier" © Maris Eufinger Foto: Maris Eufinger
Jara Bihler und Lennart Lemster in einer Szene des Theaterstücks "Ferdinand der Stier" © Maris Eufinger Foto: Maris Eufinger
Jara Bihler und Lennart Lemster in einer Szene des Theaterstücks "Ferdinand der Stier" © Maris Eufinger Foto: Maris Eufinger
AUDIO: "Ferdinand der Stier": Hymne ans Anderssein (3 Min)

"Ferdinand der Stier": Hymne ans Anderssein

Stand: 11.03.2024 14:02 Uhr

Angeblich war es Mahatma Ghandis Lieblingsbuch: "Ferdinand, der Stier“, von Munro Leaf. Ein pazifistischer Kinderbuchklassiker, den jetzt das Junge Schauspielhaus auf die Bühne gebracht hat.

von Peter Helling

Manchmal kommt alles zusammen. Manchmal geschieht ein Theaterereignis. Denn manchmal passt einfach alles: ein super Ensemble, ein Rapper aus Hamburg, eine berührende Story, eine dynamische, lebendige Inszenierung für alle Generationen, die das Publikum begeistert: "Großartig, es war etwas völlig neues. Ich fand den Rapper sehr cool, weil der hat coole Musik gemacht."

Es geht um die Frage: Müssen Stiere immer kämpfen, immer stark sein? Wer ist schwach? Wer ist ein Softie? Wer ein Macho, ein Macker? Es geht um Bilder von Stärke und vermeintliche Schwäche. Diese werden hier lustvoll auf den Kopf gestellt. Mit Inspektah steht ein Hamburg-Rapper der Spitzenklasse auf der Bühne, der die Handlung vorantreibt. Rap hat ja das Image von harten Typen mit schweren Goldketten, Macho-Reimen. Damit wird hier aufgeräumt.

Stier-Arena wird zum Ort von Kraft und Sanftheit

Jara Bihler, Lennart Lemster und Enrique Fiß in einer Szene des Theaterstücks "Ferdinand der Stier" © Maris Eufinger Foto: Maris Eufinger
Jara Bihler, Lennart Lemster und Enrique Fiß wechseln sich als Stier ab.

Es geht los wie ein Box-Training. Zwei Schauspieler und eine Schauspielerin in Trainings-Klamotten wärmen sich auf. In der Mitte ein kreisrunder Sandplatz. Eine Stierarena in der sich Tier und Mensch bis aufs Blut bekämpfen. Die drei schlüpfen in die Stier-Rollen, ziehen sich eine Trainingsjacke über, fertig. Keine Hörner, keine Tier-Nachahmung.

Jahra Bihler wird zum kräftigsten und Macho-mäßigsten von allen. Lennart Lemster verwandelt sich in den Jungstier, der nach Orientierung sucht und Enrique Fiß spielt Ferdinand, ein Muskelpaket, das lieber nach Sternschnuppen Ausschau hält.

Großartiges Stück mit Humor und Tiefgang, Tempo und Rhythmus

Ferdinand ist anders, steht gerne abseits auf einer Weide, mag Blumen. Man könnte ihn auch als Pazifisten bezeichnen. Das Publikum ist hingerissen: "Ich gehe viel ins Theater. Das war mit das krasseste und stärkste, was ich in den letzten Monaten gesehen habe."

Was die Inszenierung von Alexander Klessinger, der gerade sein Regie-Studium nebenan an der Theaterakademie abgeschlossen hat, so großartig macht: Sie kommt ganz leichtfüßig daher, hat Humor und Tiefgang, Tempo und Rhythmus, wird mal ganz leise dann dröhnend laut. Wenn Ferdinand am Ende doch in die blutige Arena muss, stockt einem fast der Atem. Wird er überleben?

Weitere Informationen
Ein Geier kreist im Opernsaal (Montage) © Fotolia.com Foto: Oper: matteo NATALE, Geier: Bernd S.

Theaterkritiken: Rezensionen vom NDR

Ob das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, das Oldenburgische Staatstheater oder die Vorpommersche Landesbühne: Der NDR rezensiert immer wieder Stücke von den norddeutschen Bühnen. mehr

"Ferdinand der Stier": Mehr geht nicht

Wie stark müssen gerade Jungs heute sein? Ein junger Zuschauer fühlt sich an die Schule erinnert: "Ja, das kann ich auch aus meiner Schulperspektive so mitnehmen, dass das manchmal so ist. In der Schule gibt es ja auch sozusagen die stille Pflicht, so zu sein, obwohl man vielleicht anders sein will."

Am Schluss steht das Publikum, egal ob Kinder oder Erwachsene, um den Sandplatz und tanzt mit: absolut mitreißend. Ferdinand ein Weichei? Von wegen. Das Stück ist eine Hymne ans Anderssein. Stärke ist keine Frage der Muskeln und der größten Klappe, sondern eine innere Freiheit, so zu sein, wie man ist. Mit Respekt für jeden und jede. Mehr geht nicht.

"Ferdinand der Stier": Hymne ans Anderssein

Das Junge Schauspielhaus Hamburg zeigt bis zum Juni "Ferdinand der Stier" und trifft bei Jung und Alt einen Nerv.

Datum:
Ende:
Ort:
Studio Wiesendamm
Wiesendamm 28
22305 Hamburg
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 11.03.2024 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Eine junge Frau steht neben einem Mann, beide lächeln. © Eva Renz / NDR Foto: Eva Renz / NDR

Warten auf Weihnachten mit Rolf Zuckowski

"In der Weihnachtsbäckerei" gehört zu seinen Klassikern. Rolf Zuckowski singt und spielt Gitarre. mehr