"Ferdinand der Stier": Hymne ans Anderssein
Angeblich war es Mahatma Ghandis Lieblingsbuch: "Ferdinand, der Stier“, von Munro Leaf. Ein pazifistischer Kinderbuchklassiker, den jetzt das Junge Schauspielhaus auf die Bühne gebracht hat.
Manchmal kommt alles zusammen. Manchmal geschieht ein Theaterereignis. Denn manchmal passt einfach alles: ein super Ensemble, ein Rapper aus Hamburg, eine berührende Story, eine dynamische, lebendige Inszenierung für alle Generationen, die das Publikum begeistert: "Großartig, es war etwas völlig neues. Ich fand den Rapper sehr cool, weil der hat coole Musik gemacht."
Es geht um die Frage: Müssen Stiere immer kämpfen, immer stark sein? Wer ist schwach? Wer ist ein Softie? Wer ein Macho, ein Macker? Es geht um Bilder von Stärke und vermeintliche Schwäche. Diese werden hier lustvoll auf den Kopf gestellt. Mit Inspektah steht ein Hamburg-Rapper der Spitzenklasse auf der Bühne, der die Handlung vorantreibt. Rap hat ja das Image von harten Typen mit schweren Goldketten, Macho-Reimen. Damit wird hier aufgeräumt.
Stier-Arena wird zum Ort von Kraft und Sanftheit
Es geht los wie ein Box-Training. Zwei Schauspieler und eine Schauspielerin in Trainings-Klamotten wärmen sich auf. In der Mitte ein kreisrunder Sandplatz. Eine Stierarena in der sich Tier und Mensch bis aufs Blut bekämpfen. Die drei schlüpfen in die Stier-Rollen, ziehen sich eine Trainingsjacke über, fertig. Keine Hörner, keine Tier-Nachahmung.
Jahra Bihler wird zum kräftigsten und Macho-mäßigsten von allen. Lennart Lemster verwandelt sich in den Jungstier, der nach Orientierung sucht und Enrique Fiß spielt Ferdinand, ein Muskelpaket, das lieber nach Sternschnuppen Ausschau hält.
Großartiges Stück mit Humor und Tiefgang, Tempo und Rhythmus
Ferdinand ist anders, steht gerne abseits auf einer Weide, mag Blumen. Man könnte ihn auch als Pazifisten bezeichnen. Das Publikum ist hingerissen: "Ich gehe viel ins Theater. Das war mit das krasseste und stärkste, was ich in den letzten Monaten gesehen habe."
Was die Inszenierung von Alexander Klessinger, der gerade sein Regie-Studium nebenan an der Theaterakademie abgeschlossen hat, so großartig macht: Sie kommt ganz leichtfüßig daher, hat Humor und Tiefgang, Tempo und Rhythmus, wird mal ganz leise dann dröhnend laut. Wenn Ferdinand am Ende doch in die blutige Arena muss, stockt einem fast der Atem. Wird er überleben?
"Ferdinand der Stier": Mehr geht nicht
Wie stark müssen gerade Jungs heute sein? Ein junger Zuschauer fühlt sich an die Schule erinnert: "Ja, das kann ich auch aus meiner Schulperspektive so mitnehmen, dass das manchmal so ist. In der Schule gibt es ja auch sozusagen die stille Pflicht, so zu sein, obwohl man vielleicht anders sein will."
Am Schluss steht das Publikum, egal ob Kinder oder Erwachsene, um den Sandplatz und tanzt mit: absolut mitreißend. Ferdinand ein Weichei? Von wegen. Das Stück ist eine Hymne ans Anderssein. Stärke ist keine Frage der Muskeln und der größten Klappe, sondern eine innere Freiheit, so zu sein, wie man ist. Mit Respekt für jeden und jede. Mehr geht nicht.
"Ferdinand der Stier": Hymne ans Anderssein
Das Junge Schauspielhaus Hamburg zeigt bis zum Juni "Ferdinand der Stier" und trifft bei Jung und Alt einen Nerv.
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Studio Wiesendamm
Wiesendamm 28
22305 Hamburg