"Die Schattenpräsidentinnen": Die Frauen hinter den Idioten

Stand: 12.04.2024 08:21 Uhr

"Die Schattenpräsidentinnen. Oder: Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten" - die Farce mit dem langen Titel hat am Hamburger Schauspielhaus eine rasante Premiere gefeiert.

von Katja Weise

Die amerikanische Autorin Selina Fillinger war gerade einmal 28 Jahre alt, als ihr Stück "Die Schattenpräsidentinnen. Oder: Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten" 2022 am Broadway aufgeführt wurde. Damit ist sie in den USA eine ziemliche Ausnahmeerscheinung. Nun war die Farce erstmals auf einer deutschen Bühne zu erleben.

Höchste Alarmstufe!

Der Präsident hat sich mal wieder im Ton vergriffen:

"Fotze …"
"Was?"
"Fotze!"
"Nein!"
"Das ist jetzt keine Frage."
"Öffentlich?"
"Ja."
"Nein!"
"Wer genau war da?"
"Alle."
"Nein."
"Die gesamte internationale Presse und drei chinesische Diplomaten." Szene

Die sieben Frauen, die hier in seinem Schatten wirken - darunter seine Stabschefin, seine Pressesekretärin, seine Sekretärin und seine Frau - sind in heller Aufregung. Wie das wieder in Ordnung bringen? Eine wichtige internationale Konferenz droht zu scheitern. Außerdem ist Biene, ein "Flirt" des Präsidenten, schwanger, und eine Journalistin droht, alles zu veröffentlichen. Höchste Alarmstufe.

"Die Schattenpräsidentinnen": Flottes Tempo, fliegende Wechsel

Szene aus der Inszenierung "Die Schattenpräsidentinnen Oder: Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten." © Thomas Aurin
Die Schauspielerinnen Sandra Gerling, Josefine Israel, Angelika Richter, Linn Reusse, Bettina Stucky, Amal Keller und Sachiko Hara lassen es krachen.

Regisseurin Claudia Bauer, sie inszeniert erstmals am Schauspielhaus, legt von Anfang an ein ordentliches Tempo vor. Das ist bei der Farce auch zwingend. Schnelle Dialoge, fliegende Wechsel: Die sieben Frauen wirken mit ihren steif toupierten Haaren und den seltsam ausgestellten Kleidern fast wie Comicfiguren. Und sie bewegen sich auch so. Bühnenbildner Andreas Auerbach hat ihnen für die rasanten Auf- und Abgänge sechs Türen auf die Bühne gestellt, dazu ein großes Tor: Dahinter verbirgt sich der Präsident. Von ihm sehen wir, so will es die Autorin, später nur einmal die Füße - das reicht. Hauptsache, die Frauen tun alles, um ihn zu unterstützen.

Unverkennbar ist das Stück inspiriert durch die Präsidentschaft Donald Trumps, insbesondere die besondere Beziehung zwischen Trump und den Frauen, die für ihn gearbeitet haben, war ein Anstoß für Selina Fillinger. Doch Fillinger geht es eben nicht um die Männer. Die watscht sie ab, und die Frauen manchmal gleich mit, weil sie ihre Chance nicht ergreifen. Ihre Farce versteht sich als feministisch.

Rasant: Inszenierung wie auf Speed

Flott und messerscharf sind die Dialoge, doch auch gegen die Frauen wird kräftig ausgeteilt: Die Sekretärin übt sich bis zur Lächerlichkeit in "Selbstermächtigung", eine Journalistin kommt mit Milchpumpe zur Investigativ-Recherche - und nicht nur die kriminelle Schwester des Präsidenten schwingt den Revolver. Das ist kurzweilig, ziemlich schrill - und machte vielen im Schauspielhaus großen Spaß.

Die sieben Frauen spielen wie auf Speed, jederzeit wach, mit großer Lust. Regisseurin Claudia Bauer inszeniert präzise, und das Timing stimmt. Etwas mehr "leise Töne" dürften sein, aber: Das spielt sich vielleicht noch ein.

Weitere Informationen
Deutsches Schauspielhaus, Hamburg © Deutsches Schauspielhaus / Kerstin Schomburg Foto: Kerstin Schomburg

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"Die Schattenpräsidentinnen": Die Frauen hinter den Idioten

Die Farce der amerikanischen Autorin Selina Fillinger hat am Hamburger Schauspielhaus deutschsprachige Erstaufführung gefeiert.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Hamburger Schauspielhaus
Kirchenallee 39
20099 Hamburg
Telefon:
040.24 87 10
E-Mail:
kontakt@schauspielhaus.de
Preis:
Ab 11 Euro
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 12.04.2024 | 09:40 Uhr

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