Jossi Wieler inszeniert "Orlando" am Schauspielhaus in Hamburg
"Orlando" nach dem Roman von Virginia Woolf hat am 26. Januar Premiere am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Regisseur Jossi Wieler ist geflasht, wie dabei mit Epochen, der Geschichte und Identität umgegangen wird, erzählt er im Interview.
Der 72-Jährige ist seit vielen Jahren Theater- und Opernregisseur. Von 2011 bis 2018 war er erfolgreicher Intendant der Staatsoper Stuttgart. An vielen großen Bühnen hat der Schweizer seit 1982 inszeniert. Erstmals seit fast 25 Jahren ist er wieder in Hamburg. Die preisgekrönte Aufführung von Elfriede Jelineks Stück "Wolken.Heim" war 1994 Inszenierung des Jahres. Bei "Orlando" inszeniert er eine Bühnenfassung von Ralf Fiedler. Katja Weise hat vor der Premiere mit Wieler gesprochen. Einen Auszug des Interviews lesen Sie auf dieser Seite, das ganze Gespräch können Sie bei NDR Kultur à la carte hören.
Sie kommen nach knapp einem Vierteljahrhundert wieder ans Hamburger Schauspielhaus zurück. Es ist immerhin die größte Sprechbühne Deutschlands, ein Saal, von dem viele Regisseurinnen und Regisseure träumen.
Jossi Wieler: Es ist schon etwas Besonderes, wieder ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg zurückzukommen. Das Schöne war, dass mich der Pförtner sofort wiedererkannt hat - und das nach fast 25 Jahren. Da fühlt man sich gleich wieder wie zu Hause.
Orlando ist am Anfang ein fantastisch aussehender junger Mann, lebenshungrig, leidenschaftlich, zunächst auch erfolgreich, interessiert am Schreiben und an der Dichtkunst. Wir treffen ihn das erste Mal um das Jahr 1600, da wird England noch von Elisabeth I. regiert. Dann gibt es einen ersten kleinen Zeitsprung, wo er schon mal in einen tiefen Schlaf fällt. Er wird Gesandter in Konstantinopel, fällt noch einmal in einen tiefen Schlaf, und wacht danach plötzlich als Frau auf. Mit ihr gehen wir durch weitere zweieinhalb Jahrhunderte und landen im Jahr 1928. Was interessiert Sie an der Geschichte?
Wieler: Ich habe diesen Roman vor 30 Jahren gelesen. Damals hat er mir zu wenig gesagt und im Zusammenhang mit der Suche nach einem Stoff für das Hamburger Schauspielhaus kam das Thema nochmals auf. Ich war richtig geflasht, wie mit Epochen, der Geschichte und Identität umgegangen wird. Bei Virginia Woolf ist das ein wichtiges Thema, dass es nicht nur ein Ich gibt, sondern ein Ich besteht aus mehreren Ichs. Da ist diese Unbändigkeit, diese Grenzenlosigkeit, diese Fantasie, mit der sie über Jahrhunderte eine fiktive Biografie erzählt. Dieser Orlando altert kaum. Sich das beim Lesen vorstellen zu dürfen, ist immer das Schöne in der Literatur. Es gibt einen Film mit Tilda Swinton, der erzählt über die ganze Opulenz dieser Zeiten. Dem kann das Theater gar nicht gerecht werden. Deswegen suchen wir auch eine Form, wo die Sprache versucht, diese Welten zu öffnen. Vieles kann nur angedeutet werden und bleibt im Erzählen. Es ist toll, die Geschichte mit verschiedenen Ichs zu erzählen. Ein Ich wird in fünf verschiedene Ichs aufgespalten.
Das Gespräch führte Katja Weise. Die ganze Sendung hören Sie bei NDR Kultur à la carte.