Tanzen hinter Gittern: Bundesjugendballett zu Gast in der JVA
Tänzerinnen und Tänzer des Bundesjugendballetts haben vor Häftlingen der JVA Fuhlsbüttel getanzt. Der Auftritt fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kultur im Knast" statt - organisiert vom Hamburger Fürsorgeverein.
Erstmal muss man reinkommen. Handys sind nicht erlaubt, drei Türen werden aufgeschlossen und dann wieder verriegelt - ein merkwürdiges Gefühl. Die Veranstaltung findet in der Kirche statt, ein sehr hoher Saal mit weit oben liegenden, tatsächlich bunten Fenstern. Noch ist keiner der Häftlinge da, dafür tanzen sich die fünf Tänzerinnen und vier Tänzer des Bundesjugendballetts schon mal warm.
Kevin Haigen, künstlerischer Direktor des Bundesjugendballetts gibt Anweisungen und freut sich auf die Vorstellung an diesem außergewöhnlichen Ort. Schon ein paarmal ist er mit seiner jungen Compagnie in Gefängnissen aufgetreten. "Ich finde es großartig", sagt er. "Bewegung und Tanz berührt Menschen. Es berührt ihr Inneres. Man wird das während unserer Aufführung sehen: Die modernen Stücke, wo jeder denkt: Ja, das wird ihnen hier gefallen - nein! Meist sind es die eher spirituellen, ganz klassischen Stücke, die die Seele der Menschen ansprechen."
20 Häftlinge, Schubert und ein Ballett-Ensemble
Justizvollzugsbeamtin Petra Hartwig hat hier ebenfalls schon öfter Konzerte oder Bands erlebt. Wie viele Häftlinge kommen, das wisse man vorher nie so genau. "Es ist immer ganz unterschiedlich, kommt aber auch aufs Wetter an", erklärt die Gefängniswärterin. "Wenn das Wetter schön ist, wenn die Freistunde gerade nebenbei läuft, dann gehen manche lieber in die Freistunde, weil man ja auch nicht weiß, worauf man sich einlässt." Das Thema Ballett habe es im Gefängnis schwer, erklärt Hartwig. "Da haben die Meisten auch gesagt: Was ist das denn? Also, da mussten wir erst ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, dass das sehenswert sein kann."
Langsam trudeln die ersten Zuschauer ein. Am Ende sitzen um die 20 Häftlinge auf den Stühlen. Ballettmeister Raymond Hilbert begrüßt die Männer und fängt erstmal an, das Thema Ballett zu erklären. Er erzählt, wie schwierig es sei, in Spitzenschuhen zu tanzen und zeigt auch gleich mal ein Paar. Und dann geht es los mit dem ersten Stück - sehr modern, live von vier Streichern mit Musik von Franz Schubert begleitet.
Kaiserwalzer und ein emotionaler Tanz in "Santa Fu"
In ganz normalen Freizeitklamotten tanzen, springen und winden sich die Tänzerinnen und Tänzer auf dem großen, mit einer speziellen Tanzfolie beklebten Boden. Manch ein Häftling schaut irritiert, fragend, in einer Ecke wird kurz gekichert. Aber zuschauen tun sie alle. Verhaltener Applaus, dann ein sehr emotionaler Tanz, angekündigt und erklärt als ein Tanz über Erinnerungen, die das Herz berühren.
Mit Inbrunst verschränken sich die Hände und Körper der Tanzenden. Im Publikum werden die Gesichter weich und konzentriert. Die Tänzerinnen und Tänzer geben alles. Jeder Schritt, jede Drehung - alles sitzt perfekt. Kurz vor Ende treten dann die Männer in Anzügen, die Frauen in langen, bunten Kleidern und in Spitzenschuhen auf und tanzen rasant und hingebungsvoll zum Kaiserwalzer von Johann Strauss.
Standing Ovations zum Abschluss
Von Stück zu Stück wird der Applaus kräftiger. Am Ende dann gar Standing Ovations von den Häftlingen und glückliche Gesichter - auch bei den Tänzerinnen und Tänzern. Compagnie-Mitglied Mila Loock aus Australien ist happy: "Ich habe gemerkt, wie sie diese unterschiedlichen Stücke und Tanzstile genossen haben. Ich habe mich total mit dem Publikum verbunden gefühlt, der Funke ist übergesprungen - sie waren völlig still und ich habe mich absolut respektiert gefühlt." Es sei wunderbar gewesen, die Bewegungen, die Musik, erzählen die Häftlinge. Und einer sagt: So etwas Schönes habe er noch nie gesehen. Das Bundesjugendballett im Knast: Ein voller Erfolg.