Theater-Intendant Ulrich Khuon zieht den Vorhang zu
Ulrich Khuon gibt im Sommer alle Intendanzen ab und geht in den Ruhestand. Der derzeitige Intendant des Deutschen Theaters in Berlin war auch lange am Hamburger Thalia Theater. Mit welchem Gefühl tritt er von den Brettern, die die Welt bedeuten, ab?
Der Theatermann war nicht nur Intendant an vielen wichtigen und renommierten Häusern wie etwa am Schauspiel Hannover, Hamburger Thalia Theater oder am Deutschen Theater Berlin, er war von 2017 bis 2020 auch Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Welche Bilanz zieht Ulrich Khuon nach einer langen, facettenreichen Theater- und Bühnenarbeit? Einen Auszug des Gesprächs lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie am 24. April bei NDR Kultur à la carte hören.
Sie sind an keinem Haus so lange gewesen, wie am Deutschen Theater in Berlin. Würden Sie sagen, das war möglicherweise auch die wichtigste Station?
Ulrich Khuon: Es war auf jeden Fall die Station, die als Erfahrung die stärkste Pendelbewegung mit sich gebracht hat. Ich musste hier noch einmal viel lernen, was ich aber auch gut finde. Ich habe Höhen und Tiefen gehabt, habe sehr lange gebraucht, bis ich im Haus angekommen bin. Ich weiß auch gar nicht, ob ich jetzt wirklich angekommen bin. Ich weiß nicht, wie die Kolleginnen und Kollegen das alles so sehen. Es war schon eine sehr wichtige Station. Ich würde die verschiedenen Orte aber nicht gegeneinanderstellen, weil jeder hat eine eigene Qualität. In Konstanz war ich sehr lange als Dramaturg und dann als Intendant beschäftigt. In Hannover war ich nur sieben Jahre, trotzdem war die Zeit sehr wichtig. Und Hamburg war vielleicht die entspannteste und glücklichste Zeit. Jede Etappe hatte ihre eigene Prägung und die ist für mich von großer Bedeutung, weil ich darum gekämpft habe und auch bewiesen habe, dass ich das kann.
Was fasziniert Sie am Theater?
Khuon: Ich glaube, es sind zwei Dinge. Die totale Unmittelbarkeit, das totale Einstehen für das, was sie erzählen. Dass jemand sich auf der Bühne verausgabt oder sich auch zur Verfügung stellt und zwar höchstpersönlich. Das ist unausweichlich. Ich merke natürlich, wenn Menschen auf der Bühne ihrer Rolle ausweichen, oder sich nicht so reinschmeißen. Grundsätzlich würde ich sagen, die elementare Begegnung, dass mir etwas mitgeteilt wird, etwas zutiefst Menschliches, das dann natürlich auch gesellschaftliche Konsequenzen hat, das ist eine große Heftigkeit. Das andere ist interessanterweise vielleicht sogar das Gegenteil, nämlich dass ich die Fragen, denen ich von morgens bis abends ausgesetzt bin, auf der Bühne noch mal über einen Umweg erfahre. Wer hat Beziehungsprobleme, wenn er im Theater sitzt? Erlebt er vielleicht dieselben Probleme, aber ist nicht involviert? Oder ich bin nicht involviert und kann deswegen was daraus lernen?
Das Theater ist über die Menschen direkt und indirekt, in einer guten Weise, wie jedes Buch und jede Kunst, es ist ein Umweg. Es lässt mir einen Raum, es ist eine Höflichkeit da. Ich kann was damit anfangen und das wieder in mein gesellschaftliches, gemeinschaftliches oder privates Leben mit hineinnehmen. Es ist keine Meinung, kein politischer Kommentar zu meinem Leben, sondern es ist geformte Kunst und lässt mir wahnsinnig viel Spielraum, wie ich damit umgehe. Es wird in der Sprache, im Bild, in der Musik, in der Bewegung, in den Körpern geformt. Und die zwei Dinge braucht der Mensch, weil er weicht sich oft aus, aber er sollte sich nicht ausweichen. Ihn zu verführen, sich mit sich selber und seiner Gesellschaft zu beschäftigen, das kann man nicht per Befehl machen, sondern da muss man die Kunst haben und die führt einen in die Zwischenräume.
Das Gespräch führte Katja Weise. Die ganze Sendung hören Sie am 24. April ab 13 Uhr auf NDR Kultur. Dort geht es auch um die Autor*innentheatertage in Berlin, die Ulrich Khuon 1995 ins Leben gerufen hat. In diesem Jahr wird das legendäre Fest der zeitgenössischen Dramatik ab dem 30. April zum letzten Mal unter seiner Intendanz stattfinden.