Schwerhörig ins Theater: Wie gut funktioniert das?
Wie gut können Menschen, die schwerhörig sind, an Kultur teilhaben? Und was können die Kultureinrichtungen tun, um ihnen den Besuch zu erleichtern? Wir haben eine Hamburgerin, die Kultur über alles liebt, in eine Theatervorstellung begleitet.
Die Kulturfabrik Kampnagel ist ein wichtiger Kulturort in Hamburg. Fides Breuer kommt oft hierher. "Ich bin ein ständiger Gast. Wenn ich hier was höre, gehe ich hier auch in eine Theateraufführung", sagt sie. Auch Tanztheater liebt Breuer: "Ich wohne hier ganz in der Nähe, das ist also mein Wohnzimmer."
Fides Breuer ist Fotografin. Seit sie im Ruhestand ist, hat sie noch mehr Zeit für Kultur. Was sie unternimmt - Theater , Kino, Lesungen, Oper: ganz frei ist sie in der Auswahl nicht. "Ich bin nicht von Kindheit an schwerhörig, aber ich bin seit meinem 30. Jahr so schwerhörig, dass ich auf Hörgeräte angewiesen bin. Die haben nur eine gewisse Leistungsfähigkeit und da ist man irgendwann dann am Ende."
Der beste Platz für Schwerhörige: Mittig, nicht ganz vorn
Auf Kampnagel ist sie auch deshalb gern, weil sie hier meist vergleichsweise gut hören kann. Die Säle sind mit sogenannten Induktionsschleifen ausgestattet. "Das ist ein Kabel, wenn das angeschaltet ist, kommt es direkt in mein Hörgerät. Wenn das funktioniert, ist das ideal", erzählt Breuer. "Der Menschenfeind" von Molière steht heute auf dem Programm, eine Regie-Abschlussarbeit. Fides Breuer sucht sich im Zuschauersaal ihren Platz. Mittig, nicht ganz vorne, für sie genau richtig.
Bevor die Vorstellung beginnt, drückt sie eine Taste an ihrem Hörgerät. "Hier hinten sitzt meine Technik. Da habe ich vier Programme und da kann ich das einstellen", erklärt sie. Kampnagel gehört zu den Kulturorten in Hamburg, die im so genannten Hörverzeichnis aufgeführt sind, das der Bund der Schwerhörigen herausgegeben hat. Es ist ein Verzeichnis der Kirchen, Theater und öffentlichen Räume mit Höranlagen für Schwerhörige in Hamburg. Fides Breuer hat an der Übersicht aktiv mitgearbeitet. Mit einem Team von Vereinskollegen hat sie viele unterschiedliche Orte in Hamburg besucht und getestet. "Wir waren in mehr als 100 Kirchen und wir haben natürlich alle Theater besucht", erzählt sie.
Nicht alles, was die Bühnen ankündigen, funktioniert auch
Immer mal wieder habe sie auf ihrer Tour beobachtet, dass längst nicht alles, was angekündigt ist, auch wirklich funktioniert. "Häufig war die Anlage zwar da, aber kaputt. Oder aber keiner wusste, wie man sie bedient. Da kann man sich nie richtig drauf verlassen." Schwierig, erzählt sie, wird es zum Beispiel immer dann, wenn sich die Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne viel bewegen und an immer anderen Orten sprechen: "Wenn oben auf dem Baum ein Schauspieler sitzt, den verstehe ich dann nicht." Bei der Vorstellung auf Kampnagel stehen eine Schauspielerin und ein Schauspieler die ganze Zeit an ein und demselben Platz. Beide sprechen sehr langsam mit langen Pausen dazwischen.
Perfekt für Schwerhörige: Angebote mit Ober- und Untertiteln
Nebengeräusche wie das knisternde Bonbonpapier eine Reihe weiter hinten oder den vorbeifahrenden Rettungswagen hört Fides Breuer nicht. Und trotzdem: Obwohl sie auf Kampnagel sonst sehr zufrieden ist: Diesmal lief es für sie nicht so gut. "Ich konnte ihn sehr gut verstehen und sie ganz schlecht. Ihre Stimmlage war nicht gut für mich und sie hat auch geflüstert, dann krieg ich das nicht hin. Also da fehlte mir einiges", resümiert sie. Andere Kulturveranstaltungen eignen sich besser für sie und andere Schwerhörige: "Was wir besonders lieben: Obertitel, Untertitel. Dann kann ich das mitlesen und dann weiß ich Bescheid. So wie in der Oper zum Beispiel. Oder im Kino. Kino ist für mich perfekt und die Kunsthalle. Das sind die Sachen, die ich am meisten mache."
Zum Schluss noch die Frage: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie barrierefrei sind Kulturorte mittlerweile? "Auf drei", meint Fides Breuer. Sie wird sich auf alle Fälle auch künftig dafür einsetzen, dass sich die Lage weiter verbessert: "Ich bin kulturell rundum interessiert und da ist es mir ein persönliches Anliegen."