Nestervals "A Dirty Faust": Irrwitzig, intensiv und immersiv
Das Theaterkollektiv Nesterval sorgt fast jedes Jahr beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel für Puls. Sie selbst nennen sich Volkstheater-Guerilla. In diesem Jahr bespielen sie drei Wochen eine leerstehende Schule auf St. Pauli mit Goethe, 80er-Tanzfilmen und dem Kampf um Abtreibungsrechte.
Theater im Ausnahmezustand: Das Wiener Kollektiv Nesterval ist in der Stadt - und was das bedeutet, erlebt man gerade in der ehemaligen Volksschule in der Seilerstraße, mitten auf St. Pauli. Die alte Aula der Schule hat sich in den schummrigen Ballsaal eines Hotels verwandelt - das große Finale ist eine einzige Party. Das Ensemble zieht das Publikum auf die Tanzfläche, es herrscht akutes "Dirty Dancing"-Fieber - verbunden mit Goethes "Faust": was für eine schräge Kombination.
Verwirrender Parcours durch 47 Klassenräume
Wahnsinn, diese Location! So zentral in der Stadt, in diesem Viertel. Das Haus ist ein Traum! Der Raum ist bei Nesterval auch ein Charakter, der mitspielt. "Ich würde sagen: Die schönste Location, die Nesterval je gehabt hat", schwärmt der Regisseur und künstlerische Leiter, Martin Finnland.
Es ist ein verwirrender Parcours durch 47 Räume. Klassenzimmer haben sich in geheimnisvolle Hotel-Suiten mit muffigen 1960er-Jahre-Möbeln verwandelt. Das Prinzip Nesterval klingt einfach, ist aber hochkompliziert am Reißbrett geplant. Jeder Auftritt ist haargenau getimet. Man checkt ein wie ein Hotelgast, folgt dann einer Figur aus "Faust", traut sich mit einer kleinen Gruppe hinein ins Zimmerlabyrinth und ist hautnah am Ensemble.
Theaterkollektiv Nesterval liefert unterschiedliche Erlebnisse
Man folgt zum Beispiel Marthe Schwertlein, der Nachbarin von Gretchen, deren Augen schwarz umrandet sind, unglücklich verliebt, und die ein dunkles Geheimnis mit sich trägt:
"Marthe Schwertlein, und Sie sind?"
"Charlotte"
"Sehr erfreut, gehen wir etwas trinken, das hilft immer."
Bühnenzitat
Da heißt es Treppensteigen zu unheimlicher Musik, abbiegen ins nächste Zimmer, die nächste Szene, während aus Radios Schlager dudeln. Jeder und jede erlebt etwas anderes. Man begegnet Gott und Teufel höchstpersönlich und erlebt den Teufels-Pakt zwischen Faust und der diabolischen Frau Karl. In einem Raum steht ein riesiges Schachbrett - tief unten, im Keller, steht man in einem düsteren Raum mit Kruzifixen an der Wand, mit Nagelstuhl und blutigen Bündeln in einem Regal.
Große Gesten und schwarzer Humor
"Faust" im Tanzhotel, große Gesten und schwarzer Humor, so setzt sich dieses Stück durch eigene Seherfahrungen und Gespräche mit anderen Gästen zu einem einzigen Erzählfluss zusammen. Ein Flow aus irrwitzigen Typen, aus bösen Szenen, aus Horror, falschem Drama und aus einer flirrenden queeren Erotik: Daran arbeiten Regisseur Finnland und sein Team. "Das ist der ideale Stoff, vor allem hier natürlich, mitten an der Reeperbahn, wo Sex und Lebenslust so ein Thema sind", erklärt Finnland. "Wo könnte Faust sonst landen als mitten in Hamburg?"
Nestervals "A Dirty Faust": Irrwitzig, intensiv und immersiv
Drei Wochen bespielt das österreichische Theaterkollektiv eine leerstehende Schule auf St. Pauli mit Goethe, 80er-Tanzfilmen und dem Kampf um Abtreibungsrechte.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
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Schule Seilerstraße
Seilerstraße 41-43
20359 Hamburg
- Kartenverkauf:
- ggf. Restkarten an der Abendkasse