Gustav Peter Wöhler und Michael Rotschopf © Kerstin Schomburg

Brechts "Dreigroschenoper" kehrt ans St. Pauli Theater zurück

Stand: 15.01.2023 07:40 Uhr

Die Aufführung der "Dreigroschenoper" am St. Pauli Theater war 2004 ein gigantischer Erfolg. Fast 20 Jahre später bringt das Haus das Stück erneut auf die Bühne. Am Freitag hat das Stück Premiere gefeiert. Die Schauspieler Gustav Peter Wöhler und Michael Rotschopf, die Jonathan Peachum und Mackie Messer spielen, im Gespräch.

Ist die erfolgreiche Dreigroschenoper-Inszenierung von 2004 ein Fluch oder ein Segen?

Gustav-Peter Wöhler: Es ist weder Fluch noch Segen. Es war eine super Inszenierung, die Spaß gemacht hat. Aber die ist jetzt 19 oder 20 Jahre alt und ich finde, da kann man jetzt mal etwas anderes bringen. Ich habe weder den Anspruch, das jetzt besser zu machen, noch schlechter zu machen. Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt, aufgrund dieser Inszenierung.

Wie nähert man sich einer Rolle wie Peachum an?

Wöhler: Indem man sich mit diesem Text auseinandersetzt und dann während der Proben mit den Kollegen zusammenarbeitet und sich überlegt, wer ist dieser Charakter Peachum. Dann sucht man sich das in irgendeiner Form aus. Da sitzen ja auch Menschen, die sagen: 'Das ist auf der richtigen Ebene' oder 'Lass das mal weg'.

VIDEO: Klassiker: "Die Dreigroschenoper" im St. Pauli-Theater (2 Min)

Was macht den Reiz aus, den zu spielen?

Wöhler: Ich finde, es ist eine wunderbare, schillernde Figur. Sich dem auszusetzen und sich hineinzuschmeißen, das macht mir als Mensch, der gerne singt, tanzt und spielt, großen Spaß.

Was haben wir falsch gemacht, dass dieser Stoff fast genauso aktuell ist wie vor 100 Jahren? 

Michael Rotschopf: Brecht und Weill haben sich das ausgesucht, um die Verhältnisse in der damaligen Zeit zu porträtieren. Sich dabei aber sehr genau überlegt: Wie sind die Zusammenhänge? Diese Zusammenhänge sind gleich geblieben. Leute, die sich nach außen karitativ geben und nach innen komplett verrottet sind. Die Behauptung, man wäre gut und dahinter verbirgt sich aber nur die Behauptung und sonst gar nichts. Das alles findet immer noch genauso statt: die ganzen Krisen, die Armut. Die Leute, die ein Interesse daran haben, die Armen auch arm zu halten. Weil man sonst ja keine Leute mehr ausbeuten kann. Wir können zwar so tun, als gebe es das nicht, und das alles schönfärben. Aber das ist alles da. Dieses Stück bringt es auf den Punkt, stellt es genau hin und das auch noch in einer Art, die auch noch unterhaltend ist. Erkenntnis durch Unterhaltung zu erlangen und dann nach Hause zu gehen und über einige von diesen Statements, die in diesem Stück vorkommen, noch mal intensiver nachzudenken. 

Weitere Informationen
Der deutsche Dramatiker Bertolt Brecht im Jahr 1947 bei einer gerichtlichen Anhörung in Washington. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | HLG

Bertolt Brecht - noch immer eine "Quelle der Inspiration"

Bertolt Brecht zählt zu den bedeutendsten Dramatikern Deutschlands. Vor 125 Jahren wurde er in Augsburg geboren. mehr

Was ist ihr Lieblingszitat?

Wöhler: "Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht".

Rotschopf: Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Das ist alles wunderbar. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" - vielleicht ist das einer der wichtigsten Sätze des Stückes.

Warum sollten die Menschen in die "Dreigroschenoper" am St.-Pauli-Theater gehen?

Wöhler: Weil Weill und Brecht sich hier das Beste geben, was sie zu geben haben. Und wir können das sehen und hören: also rein damit. Es ist schon sehr schwer, Karten zu bekommen, wie ich gehört habe. Aber einfach loslegen und an die Kasse stürmen: Wir spielen dann für euch weiter.

Rotschopf: Weil wir hier für das Publikum spielen. Und weil wir wollen, dass das Publikum genauso einen Mehrgewinn von diesem Abend hat, wie wir es jetzt bereits bei den Proben gehabt haben. Das möchten wir diesen Menschen geben und ihnen schenken. Wir freuen uns, wenn sie kommen.

Das Gespräch führte Susanne Hasenjäger.

Weitere Informationen
Zwei SchauspielerInnen performen auf einer Theaterbühne. © Screenshot
3 Min

"Der Sittich" feiert Premiere im Winterhuder Fährhaus

In Paris war die Beziehungskomödie ein großer Erfolg. Nun kommt das Stück nach Hamburg - mit Michaela May in der Hauptrolle. 3 Min

Szene aus dem Stück "Der Sandmann" auf der Bühne des Thalia Theaters in Hamburg © Thalia Theater Foto: Emma Szabó

"Der Sandmann" feiert Premiere im Hamburger Thalia Theater

Die Inszenierung der Oper von Robert Wilson und Anna Calvi nach einem romantischen Schauermärchen von E.T.A. Hoffmann kann trotz guter Effekte nicht überzeugen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 12.01.2023 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Sänger Maxim von der Band The Prodigy während eines Auftritts in Kopenhagen 2023. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender 2025 dabei

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für kommendes Jahr angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?